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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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und Zunge, oder war es
wirklich nur die Marsmission, die ihn so aufregte, dachte Ellen, und stellte
erschrocken fest, dass sie möglicherweise schon etwas fixiert sein könnte, was
gewisse Dinge betraf. »Was sollte noch schlimmer sein als eine Person, die ein
Menschenleben auf dem Gewissen hat, zum Mars zu schicken?«
    Wut schwang in seiner Stimme. »Eine,
die als erste ihren Fuß auf unseren Nachbarplaneten setzt.«
    Mars,
2068
    Alle Borduhren zeigten es an und
waren sich darin zweifelsfrei einig, doch die Crew hätte es auch ohne sie
gewusst. Dreißig Minuten noch bis zu dem denkwürdigen Augenblick, wenn Karen
aus der Luftschleuse treten würde, um ihren Fußabdruck auf dem roten Marsboden
zu hinterlassen.
    Plötzlich leuchtete Umbertos Kommunikator rot auf. Erschrocken
darüber, wer ihm denn so knapp vor T-0 noch eine Priorität-eins-Nachricht von
der Erde sandte, ging er zur nächsten Konsole, um sie abzurufen.
    Die Nachricht war chiffriert. Er gab seine Berechtigung und
seinen Dechiffriercode ein. Gleich darauf verwandelten sich die kryptischen
Buchstaben-Zahlen-Kombinationen in Text. Doch nur der erste Satz erschien
lesbar, der Rest war ein weiteres Mal codiert.
    »Für Sie PERSÖNLICH! Behalten Sie den Inhalt dieser
Nachricht unter allen Umständen für sich!«
    »Wirklich ausgesprochen komisch«,
murmelte der ehemalige Pilot der italienischen Air Force vor sich hin, dem mit
einem Mal ein nervöses Ziehen durch seinen Bauch kroch. Und wie soll ich den
restlichen Spruch entziffern, wenn ich dazu den Autorisierungsschlüssel der
Kommandantin brauche? Offensichtlich war der Intelligenzquotient auf der Erde in
den acht Monaten seit der Abreise von dort, neuerlich dramatisch gesunken,
mutmaßte er. Mit flinken Fingern hämmerte er »Brauche zur Dekodierung dieses
Spruches aber den Kommandantenschlüssel. Wie soll das gehen? Weiteres Vorgehen?«,
und mit einer winzigen Bewegung seines rechten Zeigefingers sandte er die
Nachricht ab. Es war zu diesem Zeitpunkt T-26 Minuten bis zum Ausstieg.
    »Mist! Verdammter Mist!«, rief Ellen Parodis Sekretär fünfzehn
Minuten später, als er die Nachricht las. Er versah die Nachricht mit einem
anderen Schlüssel, der es auch den niederen Chargen ermöglichte, ihn zu
entziffern und schickte sie erneut Richtung Mars. Das hatte er in der Aufregung
nicht bedacht, dass für die Dekodierung einer standardmäßigen
Priority-Nachricht auch der Kommandantenschlüssel erforderlich war.
    Als Ellen Parodi ihn kurz
darauf fragte, ob er schon eine Antwort von der Mars-Crew erhalten hätte,
antwortete er: »Bisher noch nicht.«
    Andy und Jacqueline halfen beim Anziehen. Erst die
körperwärmeregulierende Unterwäsche, dann der Overall und zuletzt fädelten sie die
gut isolierte Karen noch in ihren Raumanzug. Nancy stand daneben und machte ein
paar Aufnahmen von dem freudestrahlenden, aufgeregten Gesicht, das aus der Halsöffnung
des Raumanzugs lugte. Tränen der Freude und der Begeisterung standen in Nancys
Augen, als sie Karen noch einen anhaltenden Kuss gab, ehe diese ihren Helm
aufsetzte und ihn verriegelte. Karen schob das verspiegelte Visier hoch,
strahlte noch einmal in die Runde der Anwesenden, bevor sie sich umwandte, um
die paar Schritte zur Luftschleuse zu gehen. Ihre beiden Ankleidehelfer wandten
sich Lamin zu, der als zweiter rausgehen sollte und sich gerade abmühte, seine
Beine in die enganliegende Unterwäsche zu zwängen.
    Umberto stand auf der Brücke und versuchte fasziniert, teils
durch die Fenster, teils durch die Bildschirme, die neue Welt mit all seinen
Sinnen in sich aufzunehmen. Dazu lief im Hintergrund die Arie des Germont aus
La Traviata. Wie ein Neugeborenes sog er all die Eindrücke, die so neu und so fremd
waren, in sich auf und verschmolz sie mit den wohlklingenden, vertrauten Klängen
von Verdi zu einem Gesamtkunstwerk. Dazu klopfte er einfühlsam den Takt auf die
Oberfläche der Konsole. Er genoss das bizarre Panorama, das sich ihm bot, ließ
sich von der Farbe des Sandes faszinieren, fühlte Genugtuung und war
überglücklich, dort zu sein. Umberto, der interplanetare Marco Polo. Teils
draufgängerisch, teils wohlüberlegt handelte er während seiner Einsätze als
Pilot eines Mach 5 Jets. Diese »günstige« Mischung, wie die Kommission betonte,
hatte ihn letztendlich hierher gebracht. Dass sein Kommunikator in diesem
Augenblick erneut eine eingegangene Nachricht empfangen hatte, bemerkte er, ob
der vielfältigen neuen Eindrücke, die seine Sinne

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