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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Meldung, die vermutlich witzig sein hätte
sollen.
    »Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt! Fragen?«
    Niemand rührte sich.
    »Gut. Noch drei Minuten bis zur Zündung der Bremstriebwerke.«
    »Vielleicht sollten wir uns diesmal etwas mehr bemühen,
nicht dass wir denselben Mist bauen wie bei fünfundachtzig Prozent der
Simulationen«, wisperte Andy Jacqueline zu, die an der Konsole neben ihm saß.
    »Wozu haben wir denn zwei Techniker an Bord«, strahlte sie.
    »Die Techniker nützen dir in dem Fall wenig. Nicht einmal
ein Navigator wäre dir praktisch von Nutzen, denn du kannst die Trajektorie ins
Orbit verbunden mit der Geschwindigkeitsänderung nicht manuell fliegen. Haben
uns die Bremsraketen erst einmal verlangsamt, muss uns der Computer immer
wieder in die äußersten Schichten der Atmosphäre eintauchen lassen, um uns abzubremsen.
Natürlich nicht zu viel, denn sonst wird es immer heißer und heißer hier auf
der Brücke, bis wir verglühen; natürlich auch nicht zu wenig, denn sonst kommen
wir nicht in das vorgesehene Orbit und kreisen irgendwo in einer Endlosschleife
zwischen Erde und Mars.« Andy schmunzelte.
    »Glaubst du eigentlich, ich falle auf deine
Schauergeschichten herein, weil ich Biologin oder weil ich eine Frau bin?«
    Andy hatte mit einer derartigen Gegenfrage nicht im
Entferntesten gerechnet. Schon gar nicht in diesem Augenblick.
    »Es ist quatsch, was du mir da erzählst. Es wird keine
Endlosschleife geben, denn noch bevor wir endlos unsere Schleifen ziehen, geht
uns der Proviant oder der Sauerstoff oder die Energie aus.« Jacqueline nickte
bestimmt. »So sieht’s aus!«
    Andy sah sie mit gespielter Überraschung an. »Schade!
Entweder ist meine Kreativität oder mein Charme oder beides zusammen in den
letzten Monaten eingerostet. Aber ich sehe, die großen Zusammenhänge hast du
verstanden.«
    »Als Biologin und Chemikerin habe ich von Umlaufbahnen mit Sicherheit
weniger Ahnung als du, trotzdem verbitte ich es mir, meine Intelligenz zu beleidigen!«
Dabei stieß sie ihm ihren rechten Ellenbogen in die Seite.
    »Ruhe jetzt, da drüben«, knurrte Karen, »oder muss ich euch
auseinandersetzen wie in der Volksschule?«
    Die Ventile und Klappen sangen ihren eintönigen Rhythmus, die
Lichtkegel rollten über die Brücke und eine unheimliche Stille machte in ihrer ganzen
Lautstärke auf sich aufmerksam. Nichts hätte einen Blinden darauf schließen
lassen, dass die Kommandozentrale voll besetzt war. Außer vielleicht jener dezente,
die Luft durchziehende Hauch, der eine überdurchschnittliche Ausschüttung von Adrenalin
verriet.
    Die Triebwerke zündeten auf den millionstel Bruchteil einer
Sekunde genau, nachdem das Schiff automatisch alle Liegen so ausgerichtet
hatte, dass die negative Beschleunigung für die Crew am angenehmsten zu
ertragen war. Endlose neun Minuten später war es still. Die Triebwerke hatten
gestoppt, vereinzelt zündeten Düsen, um die Flugbahn zu korrigieren. Die
negative Beschleunigung stieg weiter an.
    »Ich … fühle … mich … als … hätte … ich … zweihundertfünfzig
… Kilo«, stieß Nancy abgehackt hervor. Der Druck auf ihrer Wirbelsäule war
mittlerweile so groß, dass sie bald mit ihrem Brustbein zu verschmelzen drohte.
    »Scht!«, tönte es vom Sitz der Kommandantin.
    Gerade als sie dachten, die Belastung habe etwas
nachgelassen, begann diese erneut in für einen Normalsterblichen ungeahnte
Höhen zu klettern.
    Nancy stand der Schweiß auf der Stirn, Andys Nase sah aus,
als wäre sie mit einem Mal doppelt so breit und Karens Haare drückten wie eine bleierne
Gardine gegen ihren Schädel. Hoffentlich war die Sache bald erfolgreich vorüber,
dachte sie. Vor Journalisten hätte sie es natürlich nie eingestanden, dass sie
sich die Zeit genommen hatte, ein kurzes Gebet zu sprechen. Noch weitere sechs
Mal steigerte sich die Beschleunigung bis nahe an die Schmerzgrenze, ehe sie
schwächer und schwächer wurde und ihr eben noch übergewichtiger Körper seine zusätzlichen
Pfunde wieder verlor.
    »Wir sind im Orbit«, verkündete Umberto, der das Gefühl
hatte, diese Ankündigung stünde einzig und allein dem Piloten zu. »Orbitalebene
und Geschwindigkeit wie vorausberechnet. Abweichung geringer als ein zehntel
Prozent.«
    »Danke!«, sagte Karen und war selbst überrascht, wie
entspannt und locker ihre Stimme in diesem Augenblick klang.
    »Sag ich doch«, schwebte Andys Stimme durch den Raum, »alles
kein Problem, wenn wir uns nur ein bisschen

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