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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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weiter
zu verschlimmern und noch zusätzlich zu verkomplizieren, habe ich mir in den
letzten acht schlaflosen Stunden folgendes überlegt.«
    Bevor sie die Leiter zur Luftschleuse hinaufkletterte,
drehte sie sich noch einmal um und ließ das bizarre Panorama auf sich wirken.
Morgen würden sie den Rover ausladen und in Betrieb nehmen. Ein geniales
technisches Spielzeug. Die Konstrukteure hatten es tatsächlich geschafft, ein
ER-Modell (Extended Range) zu entwickeln, in dem vier Personen bis zu fünfzehn
Tage lang leben und arbeiten konnten. Die Grenze wurde in diesem Fall nicht
durch den Sauerstoff- oder Energievorrat gesetzt, sondern durch den
mitzuführenden Proviant und die Ausrüstung der Crew. Karen konnte es kaum mehr
erwarten, damit die Flanke des großen Vulkans zu erklimmen. Am Tag nach ihrer
Abfahrt von der Landestelle würden ihre Kollegen den mit zwei Stereokameras und
hoch auflösenden Topografieradar bestückten, unbemannten Gleiter starten. Erst
würde er die Region um die Vulkane erkunden, um Detailinformationen an die Crew
des Rovers weiterzuleiten. Später sollte er den Planeten in einer Flugbahn, die
jeweils über die beiden Pole führte, umkreisen. Dem Südpol kam dabei eine ganz
spezielle Aufmerksamkeit zu, da die von den Chinesen, Russen und Japanern geplante
zweite Marsmission genau dort landen sollte. Vor Beendigung seiner Mission
sollte sich der Gleiter, der im Notfall oder bei Verlust des Funkkontakts auch
autonom operieren konnte, noch in der Region von ›Noctis Labyrintus‹, in den
Ausläufern der ›Valles Marineris‹, umsehen. Auf der Erde hegte man, was diese Region
betraf, ganz besondere Erwartungen. Eine kleine Drohne, die vom Gleiter aus
starten konnte, sollte von den verschiedensten Punkten Bodenproben in Form
winziger Bohrkerne zu diesem zurückbringen. Gemeinsam mit anderen Gesteinsproben
sollten diese dann auf der Erde ausgewertet werden.
    Ein Zischen erfüllte den winzigen Raum, nachdem sich die
äußere Tür geschlossen hatte und erneut Atemluft einströmte. Karen nahm ihren
Helm ab und lachte Lamins verspiegeltes Visier an, hinter dem sie irgendwo sein
Gesicht vermutete. Die beinahe fünf Stunden Marsspaziergang hatten an ihren
Kräften gezehrt, doch sie fühlte sich glücklich. Lamin klappte die Verspiegelung
hoch. Sie sah das Leuchten in seinen Augen, vermeinte Wohlwollen darin zu
erkennen.
    »Herzlichen Glückwunsch, Karen! Es war mir eine Ehre, mit
dir draußen gewesen zu sein.«
    Drückend und schwer, fast zu schwer für einen einzelnen
Menschen, war die Last gewesen, die mit einem Mal von Karens Schultern abfiel.
Sie war zu Tränen gerührt, schaffte es aber dann doch, diese zu unterdrücken.
    Als sie sich aus ihren Raumanzügen befreit hatten und sie in
die Zentrale kamen, dachten sie vom Paradies direkt ins Totenreich gefallen zu
sein. Lang und verständnislos waren die Gesichter, die ihnen entgegenblickten.
    »Als euer Arzt muss ich euch leider sagen, ihr habt schon
einmal besser ausgesehen«, meinte Lamin, dessen Stimme noch immer eine hörbare Extraportion
Adrenalin verströmte.
    »Was ist los mit euch?«, fragte Karen, die vermutete, dass
die Crew gleich ihre Totenmasken fallen lassen würde, um ihr gutgelaunt mit
einer Handvoll Champagnergläsern entgegenzuprosten. Doch nichts dergleichen
geschah.
    Umberto starrte zu Jacqueline, diese zu Andy, dieser zu
Nancy, diese zu Umberto.
    »Wir wissen es nicht«, meinte Nancy nach einer unangenehm
langen Pause. Sie sah zu Umberto. »Aber Umberto hat in dem Augenblick, in dem
du aus der Luftschleuse tratest, eine Nachricht von der Erde erhalten, dass er
…«
    »Dass er was?«, hakte Karen halb amüsiert, halb verärgert
nach.
    »Dass er verhindern soll, dass du rausgehst.«
    »Ist nicht dein Ernst.«
    »Ich fürchte doch«, meinte Umberto kleinlaut und überreichte
Karen die dechiffrierte Nachricht.
    »Das ist … seltsam«, meinte sie, »aber ich bin sicher, dass
es dafür eine einfache und einleuchtende Erklärung gibt.« Unsicher, beinahe
zaghaft ging sie zur Konsole, um ihr elektronisches Postfach zu überprüfen.
Tatsächlich. Sie hatte eine persönliche Nachricht mit höchster Priorität
erhalten: ›Herzlichen Glückwunsch Ihnen und Ihrer Crew zur gelungenen Landung. Dieser
Nachricht ist eine Videobotschaft angefügt. Wenn Sie diese abrufen, sorgen Sie
bitte dafür, dass der Bordarzt in Ihrer Nähe ist. Gezeichnet: E.P.‹
    »Lamin!«, sagte sie nur und, als dieser direkt hinter ihr
stand, startete sie mit dem

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