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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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zittrigen Zeigefinger der rechten Hand die Wiedergabe.
    Ein ernstes Gesicht tauchte auf dem Schirm auf. Es war das
von Ellen Parodi. Wenn es keine Glückwunschbotschaft war, dann konnte es nur
etwas sehr, sehr Unangenehmes sein. Karens Eingeweide zogen sich zusammen und
sie fühlte, wie ein nervöses Prickeln durch jede Faser ihres Körpers lief.
    Nach einer kurzen Begrüßung kam Ellen Parodi gleich zur
Sache. ›Ms McDonnel, in ihrem Curriculum Vitae sind ein paar – wie soll ich
sagen – sehr unschöne Dinge, respektive Anschuldigungen aufgetaucht, die es uns
unmöglich machten, Sie als erste Frau auf den Mars zu lassen. Wir wissen nicht,
ob Ihr erster Offizier und Pilot Sie noch rechtzeitig vor dem Ausstieg erreicht
hat oder ob Sie tatsächlich draußen waren. Diese Tatsache ist aber mittlerweile
nur noch von untergeordneter Bedeutung. Wir – und damit meine ich die
Flugleitung in Abstimmung mit dem Präsidenten – haben uns dazu entschieden, Jacqueline
Lambert in den Medien als die erste Frau auf dem Mars zu präsentieren.‹ Ob die
Botschaft damit endete oder ob es noch weitere Inhalte gab, drang nicht mehr
bewusst in Karens Wahrnehmung vor. Als sie später darauf angesprochen wurde, konnte
sie sich nicht mehr daran erinnern. Auch glaubte sie, empörte Rufe des Entsetzens
ihrer Crew vernommen zu haben, die wie durch einen Nebel in den langen,
düsteren Schacht drangen, in den sie rasender und rasender hinabstürzte.

14
    Erst dachte er schon, die Nachricht
hätte keinerlei Emotionen in ihr geweckt. Doch das war ein Irrtum, dessen er
sich sehr rasch bewusst werden sollte. Karens Reaktionen traten nur etwas verzögert
auf. Zunächst schien es ihm, als schwanke sie ganz leicht, eine kleine
Unpässlichkeit, als ob der Kreislauf im Sparmodus dahindümpelte und mit einem
Mal beansprucht wurde, dann begann ihr linkes Bein zu zucken und ehe er auch
nur wusste, was geschah, sackte sie vor ihm auf den Boden, ohne ein Wort von
sich gegeben zu haben. Er konnte ihren Oberkörper gerade noch abfangen, bevor
sie mit dem Kopf ungebremst gegen den Boden der Zentrale krachte.
    »Andy, pack mit an!«, sagte Lamin, »wir bringen sie in ihre
Kammer.«
    Er konnte die besorgten Blicke der anderen in seinem Rücken
spüren, als sie Karen in ihre Koje legten.
    »Ihr fehlt nichts«, sagte Lamin, als er sich zehn Minuten
später an den runden Tisch auf dem Crewdeck setzte. »Zumindest nichts Physisches.
Mit dem Beruhigungsmittel dürfte sie nun eine Weile schlafen.«
    Ihm fiel auf, dass Umberto, Nancy und Catherine immer wieder
auf den leeren Sessel stierten, der nicht nur dem Raum, sondern auch ihren
Gemütern etwas Unbehagliches verlieh.
    »Es würde mich wirklich brennend interessieren, was sich auf
der Erde in den letzten Tagen abgespielt hat, das die Verantwortlichen zu einem
solchen Schritt veranlasst hat?«, meinte Andy. Hilfesuchend wanderten seine
Augen von Gesicht zu Gesicht, um dort nach einer Antwort oder zumindest einem
Hinweis zu suchen.
    »Willst du das wirklich wissen?«, fragte Umberto. Seine Stimmbänder
schienen von dem Ärger, der in ihm keimte, belegt und so ähnelten die Worte
mehr dem Gekrächze eines Raben als der Stimme eines Menschen.
    »Falls wir es jemals erfahren, wird es erst nach unserer
Rückkehr sein«, sagte Nancy.
    »Egal, was diese Entscheidung veranlasst hat, ich könnte
ihnen die Fresse einschlagen.« Umbertos Gesicht brannte wutrot.
    »Es heißt ›wer‹. Wer diese Entscheidung veranlasst hat«,
verbesserte Jacqueline.
    Ungläubig, zornig und rot starrte Umberto sie an. »Das ist
mir scheißegal! Und ich hoffe es diesmal grammatikalisch richtig ausgesprochen
zu haben.«
    Jacqueline schwieg und betrachtete verlegen ihre Hände.
    »Vielleicht ist die Parodi nicht ganz freiwillig zu dieser
Entscheidung gekommen«, meinte Catherine.
    »Wie meinst du das?«
    »Naja, vielleicht wurde sie von jemandem dazu genötigt, das
zu tun – jemandem mit Einfluss.« Sie machte eine Pause. »Mit sehr viel Einfluss.«
    »Was willst du uns damit sagen.« Lamins tiefe Stimme hing
wie eine Wolke Valium im Raum, die versuchte der Atmosphäre etwas von ihrer Explosivität
zu nehmen. Er empfand in diesem Augenblick zwar selbst nur Verachtung gegenüber
den Verantwortlichen, ihren Vorgesetzten auf der Erde, von denen er immer gedacht
hatte, sie stünden zu hundert Prozent hinter der Crew. Doch dem war ganz
offensichtlich nicht so. Er wollte sich selbst und den anderen einen Gefallen
tun und die schwelende Glut nicht

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