Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
zum Raumschiff um und bemerkte erst jetzt,
dass sie schon gut zehn Meter von diesem entfernt war und kein Wort gesagt
hatte, als sie ihren Fuß in den Marsstaub gesetzt hatte. Verdammt! Der Text,
der Text. Nun war ihr der Text entfallen. »Traumhaft«, stammelte sie, um irgendetwas
in die drückende Stille zu sagen. Neil, wäre er hier gewesen, wäre das nicht
passiert. Karen hechelte in ihrem Helm nach Luft. Mit dem zusätzlichen
Sauerstoff schien sie mit einem Mal auch ihres Textes wieder habhaft zu werden.
»Wir haben heute das getan, von dem Generationen vor uns nur träumen konnten.
Wir sind auf unserem Nachbarplaneten gelandet, um den Weg zu bereiten für jene,
die nach uns kommen werden, für jene, die erste permanente Stützpunkte und
später Siedlungen und Städte errichten werden. Wir kommen in Frieden für den
Fortbestand der Menschheit.«
»Roger«, kam der Segen für die offizielle Aufzeichnung von
der Brücke.
»Amen!«, hörte sie Nancys Stimme über die interne Frequenz.
Vielleicht nicht so originell wie Pete Conrads Worte bei der
Landung von Apollo 12, aber doch passend, entschied Karen. Beim letzten Teil
hatte sie allerdings Anleihe von der Plakette, die die Astronauten von Apollo 11
an ihrer Landestelle zurückgelassen hatte, genommen. Das sollte die Verbindung
mit der eigenen Vergangenheit nur noch zusätzlich unterstreichen. Den
offiziellen Teil betrachtete sie damit als erledigt. Sie war froh, nicht ins
Stottern gekommen zu sein. Nun stand sie dort, wollte noch immer nicht glauben,
dass sie tatsächlich am Ziel war, mit ihren eigenen Stiefeln in diesem Staub
stand, der so gar nichts Irdisches hatte, in dieser Atmosphäre, in der man ohne
Raumanzug nicht überleben konnte. »Es ist so … wunderbar …«, platzte Karen plötzlich
heraus und Tränen liefen über ihre Wangen.
»Roger«, bestätigte Umberto.
Sie schluckte. Mit einem Mal
wurde ihr bewusst, dass der Blick der gesamten Menschheit auf ihr in ihrem
Raumanzug ruhte, auf jenem winzigen weißen Etwas, das nichts weiter war, als
eine unbedeutende Singularität auf der nicht enden wollenden Planetenoberfläche.
»Noch zwei Minuten«, steckte der Assistent seinen Kopf zur
Tür herein.
Niemand antwortete. Ein gutes Zeichen. Seine Mitteilung war
angekommen.
Die Sprecherin gähnte, als gäbe es nichts Langweiligeres,
als von einer Marslandung zu berichten. Dann setzte sie sich kerzengerade auf
ihren Moderatorinnen-Sessel, strich ihre dunkelblaue Kostümjacke glatt und zog
ihren Bauch ein und schob ihr Dekollete noch weiter der Kamera entgegen. »Sehr
geehrte Damen und Herren«, begann sie, nachdem der rote Balken, der die
verbleibende Zeit bis zum Beginn der Übertragung anzeigte, verschwunden war. »Ich
begrüße Sie ganz herzlich an diesem denkwürdigen Tag, dem 21. Januar 2068. Wo
immer Sie in den kommenden Jahren auch sein werden, an dieses Datum werden Sie sich
erinnern. Das kann ich Ihnen versichern.« Sie machte eine ungewollt lange Pause,
als sie auf den Monitor sah, der die Bilder der Marslandung zeigen sollte.
Dieser war jedoch nach wie vor dunkel. »Wie wir erst vor Kurzem erfahren haben,
wird sich aller Voraussicht nach Kommandantin Karen McDonnel auf ihrem ersten
Marsspaziergang vertreten lassen müssen, da sie sich in den letzten Tagen vor
der Landung eine leichte Erkältung zugezogen hat. Jacqueline Lambert, die
ebenso kompetente wie sympathische Biologin und Chemikerin, wird für sie
einspringen und als erster Mensch – als erste Frau – den Mars betreten. Es ist
klar, dass dies sicherlich eine herbe Enttäuschung für Ms McDonnel und ihre
Fangemeinde sein wird, doch die Leiterin der Marsmission, Dr. Ellen Parodi,
wollte kein Risiko eingehen und eine Kranke, eingezwängt in einen Raumanzug, in
das Nahezuvakuum des Mars’ schicken.« Die Sprecherin nahm einen Schluck aus
ihrem Wasserglas. »Hier kommen auch schon die ersten Bilder vom Mars, meine
Damen und Herren, und ich bitte nun unseren Raumfahrtexperten für
außerplanetare Angelegenheiten, diese mit seiner Fachkenntnis zu kommentieren. Bitte,
Mr Hoax«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.
»Danke Ms …«
»Allen«, sagte Ms Allen knapp, ohne auch nur einen Hauch ihres
Lächelns einzubüßen.
»Hier sehen wir sie nun, die ersten Bilder vom Mars, die von
der Mars One Crew aufgenommen und übertragen und vor ungefähr fünfzehn Minuten
den Mars in Richtung Erde verlassen haben. – Ich für meinen Teil würde meinen,
dass das Bild auf dem Kopf steht. Meinen
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