Die Frauen des Journalisten (German Edition)
Ihnen habe ich aber nicht am Telefon gesprochen. Sie sprechen anders.“
„Das ist richtig, Sie haben mit Herrn Galuba gesprochen.“
Als Frau Martin näher getreten war, sah sie Galuba mit großen Augen an.
„Ich kenne Sie, mit Ihnen spreche ich nicht, Sie sind von der Kriminalpolizei.“
Frau Martin drehte sich um und wollte das Café verlassen. Galuba ging ihr nach.
„Warten Sie doch Frau Martin, ich kann Ihnen alles erklären.“, sagte er ruhig.
„Nein, ich gehe.“
Galuba setzte sich wieder ab den Tisch, sah vor sich hin auf seine Hände, die ruhig nebeneinander auf dem Tisch lagen. Er zuckte mit den Achseln.
„Tut mir leid, ich kenne sie nicht.“, sagte er dann, mit Betonung auf dem Ich.
„Mach dir nichts draus, du warst eben auch mal prominent, oder....“
„Lass die Witze. Du musst doch mit ihr sprechen. Was willst du nun machen?“
„Was ich jetzt machen will? Ich hole jetzt für jeden von uns ein riesiges Stück Kuchen.“
Lienhardt stand auf und ging an die Kuchentheke. Während er auf die Bedienung wartete, sah er kurz aus dem Schaufenster. Tatsächlich, auf der gegenüber liegenden Straßenseite stand Frau Martin vor dem Schaufenster eines Buchgeschäftes. Er beobachtete, dass sie ihren Kopf nicht bewegte, sie stand einfach nur da. Kurz darauf drehte sie sich halb weg vom Fenster, sah die Straße hinunter als wartete sie auf jemanden. Plötzlich gab sie sich einen Ruck, überquerte die Straße und betrat wieder das Café. Sie ging an Lienhardt vorbei, ohne ihn zu bemerken, direkt auf Galuba zu.
„Ich habe es mir überlegt. Das ist alles lange her und Sie haben früher auch nur Ihre Arbeit gemacht.“
Galuba stand auf, sichtlich erleichtert, reichte ihr seine Hand und bot ihr einen Stuhl an. Nachdem Lienhardt das alles beobachtet hatte, suchte er am Buffet drei wunderbare Stückchen Torte aus. Anschließend ging er erfreut zum Tisch zurück.
„Danke, dass Sie wieder da sind. Ihr Kommen ist wirklich sehr wichtig für uns und für Herrn Wortmann.“
***
Die späte Abendsonne schien schräg in die Straße, die sich vor der Mauer der Haftanstalt befand. Das Sonnenlicht blitzte durch das Blattwerk der wenigen Bäume, die er sehen konnte. Noch immer waren die Blätter nicht voll entwickelt und das Grün war noch frisch, jetzt sogar durchscheinend. Von seinem Fenster aus sah er nur einige Dächer, die keine durchgehende Front bildeten. Vor seinem inneren Auge ließ er kleine Grundstücke mit schönen Vorgärten und sauberen Einfamilienhäusern entstehen. Er schloss die Augen, sein Mund verzog sich zu einer hässlichen Grimasse .
„Keine Sentimentalitäten, Freund!“
Er hatte es laut gesagt und erschrak über den Ton seiner eigenen Stimme. Sie war rau, streng, fremd gewesen. Nun trat er vom Fenster weg, schaltete das Zellenlicht ein. Auf dem kleinen Tisch lagen etliche Blätter, von denen er sich das oberste griff. Es war ein neues Manuskript. Die Idee dazu hatte sich ihm immer wieder aufgedrängt, obwohl er sich dagegen gewehrt hatte. Fast mechanisch hatte er dann einfach begonnen zu schreiben, wie er in New York gelebt hatte. Als Protagonisten hatte er sich eine Figur erdacht, die seine Erlebnisse erzählen sollte. Ein junger Schriftsteller in New York. Das machte es für ihn einfacher zu schreiben, rührselige Erinnerungen waren das Letzte, was er hier brauchen konnte.
Damals in seiner Anfangszeit hier in Berlin hatte er gut verdient, für sich persönlich nicht sehr viel verbraucht. Sein Konto hatte zuletzt eine ganz beachtliche Summe aufgewiesen. Auch nach dem Umtausch des DDR-Geldes war ihm noch genug geblieben. Deshalb brauchte er in New York nicht von Dominiques Geld leben, er konnte für die erste Zeit DM in Dollar umtauschen. Nachdem die Entscheidung gefallen war Dominiques Einladung zu folgen, wollte er trotzdem seine Berliner Wohnung weiter behalten.
Auch Röder, mit dem er wieder mal in allen Einzelheiten seinen weiteren Lebensweg besprochen hatte, riet ihm dazu. New York – er konnte sich keine konkreten Vorstellungen machen. Filmszenen waren es, die er im Kopf hatte. Die Wohnung konnte man später immer noch auflösen, wenn er ganz drüber bleiben sollte. Röder würde von seinem Konto weiter die Miete zahlen und gelegentlich nach dem Rechten sehen.
Er verließ Berlin an einem Montag, Mitte des Jahres 1991 und an einem Montag, sechzehn Monate später, kam er wieder in Berlin an. Eines Abends, es war vier Wochen vor seiner Abreise aus New York,
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