Die Frauen des Journalisten (German Edition)
draußen.
Wortmann hatte an alles gedacht, als er den Sitzplatz so angelegt hatte. Sie liebten die gleiche Musik, solche, die die Sehnsucht nach Freiheit beflügelte. Musik, die man im Bauch spüren konnte und die einem manchmal auch die Tränen in die Augen trieb.
Und plötzlich musste sie herzlich lachen über das, was sie eines Abends in einem deutschen Fernsehsender gesehen hatte. Es waren Aufnahmen aus einer großen Konzertveranstaltung gewesen. Ein sehr großer Saal voller Menschen, grenzenlose Begeisterung. Eine Band, von Computern unterstützt, erzeugte einen primitiven Rhythmus, eine eingängige Melodie war kaum zu erkennen. Dazu bewegte sich die Sängerin in kurzem Lederrock ekstatisch über die Bühne. Im Publikum eine kaum zu beschreibende Euphorie. Volksmusik oder Schlager nennen sie das. Ihr war regelrecht übel geworden, bei dieser Musik, die so gegen ihren inneren Rhythmus gerichtet war. Sie verstand diese Menschen nicht, die sich bei einer solchen Musik wohlfühlen konnten und fast zu einem einzigen Körper verschmolzen. Sie schüttelte sich, damit sie diese Gedanken wieder loszuwerden konnte.
Während Wortmann bei ihr in New York gelebt hatte, war er regelmäßig auf der Suche nach CDs unterwegs gewesen. Soul, Blues, R&B, darauf war er ganz verrückt und nun konnte sie diese Musik hier in Berlin hören. Gerade als sie sich noch einen Kaffee holen wollte, hörte sie die Türglocke. Das konnte nur die Postfrau sein. Also rannte sie zuerst zur Tür. Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, erschrak sie zuerst, wollte die Tür gleich wieder zuschlagen. Dann aber gab sie sich einen Ruck, unterdrückte gekonnt ihre erste Reaktion.
„Bitte, was wollen sie?“, sie fragte es, wie zufällig daher gesagt.
„Ich komme wegen des Hauses, ich habe gehört, dass es verkauft werden soll. Oder ist es schon zu spät?“
„Das Haus wird nicht verkauft und Sie wissen das ganz genau.“, antwortete Dominique in bestimmt ruhigem Ton. Dominique hatte Claudia Metzler sofort erkannt. Sie war im Hauseingang stehen geblieben und konnte so von oben herab auf Claudia sehen.
„Ich verstehe nicht, wer sind Sie?“
„Ich wohne hier, solange Herr Wortmann abwesend ist.“
Dominique hatte sich inzwischen wieder völlig unter Kontrolle. Dies war eine Chance, ihre Chance, die durfte sie nicht ungenutzt vergehen lassen.
„Sie sind doch Claudia Metzler, ja?“
Claudia konnte auf diese direkte Frage nicht ausweichen, sie nickte daher nur.
„Wenn Sie schon wieder den Weg hierher gefunden haben, kommen Sie herein. Ich glaube, dass es Ihnen keine Ruhe gelassen hat, als Sie mir zuletzt gefolgt sind. Ja, ich habe Sie bemerkt, ziemlich spät zwar, aber es ist mir aufgefallen, ihr Auto. Vom Fenster habe ich Sie anschließend auch noch beobachtet, bis Sie wieder weggefahren sind. Sie wollen wissen, wer ich bin, richtig?“
Wieder konnte Claudia, die wie erstarrt stand, nur nicken.
„Ich bin die Schwester von Michael.“
Claudia sah sie jetzt erstaunt an.
„Seine Schwester? Michael hat nie von ihnen gesprochen.“
„Er hat von seinem Leben Ihnen gegenüber kaum gesprochen, da bin ich mir sicher. Er wollte keine feste Beziehung mit Ihnen. Das stimmt doch?“, eigentlich hatte sie das nicht gefragt, sondern behauptet.
Claudia konnte nicht antworten, senkte die Augenlider, zog ihre Oberlippe zwischen ihre Zähne.
„Kommen Sie mit in die Küche, ich wollte mir gerade einen Kaffee holen, als Sie geklingelt haben.
Es reicht für uns beide.“
Das klang fast wie ein Befehl und Claudia folgte ihr tatsächlich. Dominique stellte Tassen und Teller auf dem Küchentisch bereit. Anschließend ging sie kurz in das Büro, um die Musik abzustellen. Es war fast wie nach einer Explosion, als sich im Haus die eingetretene Stille ausbreitete. Claudia war zuerst noch sehr unruhig, die nervösen Bewegungen ihrer Hände ließen das deutlich erkennen. Langsam, mit der Stille, die nun im Haus herrschte, entspannte sie sich aber.
Dominique goss Kaffee in die Tassen. Dann nahm sie aus dem Kühlschrank einen irischen Cremelikör und aus dem Eckboard, das gleich neben dem Küchenfenster in einer Ecke stand, die passenden Gläser dazu. Sie füllte den Likör in die Gläser, stieß ihr Glas an das andere.
„Auf ihr Wohl.“
Dabei hatte sie Claudia auffordern angesehen.
Dominiques Augen blieben der jungen Frau zugewandt, nicht streng, nicht traurig, eher unbeteiligt, neugierig sah sie Claudia an.
„Warum? Warum tut eine Frau so etwas?
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