Die Frauen des Journalisten (German Edition)
schlimm genug, da muss aber noch etwas Anderes sein. Nachdem der Mann im Gefängnis saß, machte sie eher einen erleichterten Eindruck, irgendwie befreit. Wissen Sie, wo sie wohnt?“
„Ja, das weiß ich. Ich werde sie zu Hause besuchen. Sie sagten wie befreit. Seltsam, wovon befreit?“
„Na so, als sei etwas Wichtiges abgeschlossen, eine Arbeit getan.“
Dominique sah die Frau fragend an, aber es kam nichts mehr.
Am Fahrstuhl angekommen verabschiedete sie sich deshalb freundlich und bedankte sich für das kurze Gespräch. Anschließend fuhr sie sofort weiter zu Claudia Metzler. Klingelte. Wartete. Sie klingelte wieder, da hörte sie Claudia fragen:
„Wer ist da?“
„Ich bin es, die Schwester von Michael.“
„Was wollen Sie?“
Beide Fragen hatten gleichgültig geklungen.
„Kann ich zu Ihnen kommen? Sie sind beim letzten Mal einfach so gegangen und ich habe noch so viele Fragen.“
„Fragen?“ Kurze Pause.
„Ich komme runter. Fünf Minuten.“
Dominique wartete fast 10 Minuten, dann kam sie. Sie sah tatsächlich krank aus, ungeschminkt wie sie war, blass, mit dunklen Schatten unter den Augen. Dominique zeigte Anteilnahme.
„Sind Sie krank?“
„Nein, mir geht es nur nicht besonders gut.“
„Kann ich irgendwie helfen, brauchen Sie etwas?“
„Nicht von Ihnen.“
„Wollen wir ein Stück gehen? Ich möchte Sie näher kennen lernen. Mehr ist es nicht, Sie müssen keine Angst haben, dass ich Sie in bestimmter Weise beeinflussen will. Alles ist Ihre Entscheidung. Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?“
„Doch nicht hier auf der Straße.“
Dominique überlegte, Wortmanns Auto war nicht neutral. Während der Fahrt hatte sie ein kleines Eiscafé gesehen, zwei Straßen weiter von hier. Vielleicht ging das. Sie bot es Claudia an.
„Warum nicht, da kann man auch etwas essen. Ich habe ganz vergessen, dass es schon Mittag ist.“
Sie gingen langsam den Weg zurück, den Dominique eben mit dem Auto gekommen war. Nur wenigen Menschen begegneten sie um diese Zeit auf der Straße. Einige sahen Claudia neugierig an, vermutlich kannten sie die Geschichte.
Das Café gehörte einem jungen Mann. Aus einer ehemaligen Bäckerei, die er hatte umbauen lassen, war es entstanden. Drei hintereinander liegende Räume waren zu einem gemütlichen Restaurant geworden, mit ruhigen Winkeln, in denen man ungestört sitzen konnte. Die beiden Frauen nahmen in einer dieser Ecken Platz und bestellten etwas zum Essen. Dominique begann vorsichtig Fragen zu stellen. Vielleicht war ja schon eine davon die richtige Frage.
„Seit wann sind Sie denn schon in Berlin?“
„Seit ungefähr zwei Jahren.“
„Und die Arbeit, die Arbeit im Pflegebereich, das machen Sie gern?“
„Ja schon, eigentlich wollte ich Therapeutin werden für Menschen die psychische Probleme haben. Aber durch die Wende wurden meine Möglichkeiten, die es vorher in der DDR gab, eingeschränkt. Vieles wurde privatisiert, da gab es weniger Ausbildungsplätze.“
„Ist das nicht sehr anstrengend mit psychisch Kranken zu arbeiten?“
„Nein, im Gegenteil, ich hätte es gern gemacht.“
Es trat eine kleine Pause ein, weil das Essen gebracht wurde, aber auch weil Dominique auf erklärende Worte gewartet hatte.
„Wo leben denn ihre Eltern?“
Es kam keine Antwort. Dominique sah ihr ins Gesicht, fragend, aber keine Regung war im Gesicht von Claudia zu sehen. Sie schien die Frage nicht gehört zu haben, denn nach einer Weile sagte sie:
„Meine Schwester lebt in Leipzig.“
„In Leipzig? Mein Bruder hat lange in Leipzig gelebt, haben Sie...“
Dominique konnte den Satz nicht beenden, denn Claudia war aufgesprungen. Dabei war ihr Stuhl polternd umgefallen. Sie zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf Dominique und rief wild, die Augen weit aufgerissen:
„Sie, Sie sind Schuld! Warum müssen Sie sich einmischen? Früher hat Sie das alles auch nicht interessiert. Wo waren Sie damals? Sie sollten gut auf sich Acht geben, ich kann mir auch für Sie einiges einfallen lassen.“
Sie riss ihre Jacke vom Haken und rannte damit hinaus. Erschrocken kam der junge Eigentümer angelaufen.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte er besorgt.
„Doch. Ich weiß nicht, was sie so aufgeregt hat. Es sind die Nerven, ihr geht es nicht besonders gut. Ich hatte gehofft helfen zu können. Bitte bringen Sie mir noch einen Kaffee.“
Nachdem er den Stuhl zurück an den Tisch gestellt hatte, entfernte er sich wieder.
Nachdenklich versuchte Dominique einen Sinn
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