Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
benimmt er sich wie ein Idiot», sagte er durch die Tür.
Keine Antwort. War er zu weit gegangen? Doch dann rasselte die Sicherheitskette, und die Tür ging auf.
Der große Mann war in der Wohnung.
Jetzt wartete er in der Storskärsgatan. Mal wieder. Sebastian war bereits mehrmals dort gewesen. Nicht drinnen, sondern vor dem Haus. Meistens an Donnerstagen, wenn Vanja Lithner die Leute besuchte, die ihre Eltern sein mussten. Anna Eriksson und Valdemar Lithner. Aber heute war Sebastian hineingegangen.
Valdemar Lithner hatte das Gebäude verlassen. Sebastian hatte abgewartet, bis er herauskam, und war kurz danach ins Haus gegangen. Hatte er eine Affäre mit Vanjas Mutter? Möglich war es. Alles war möglich. Aus Sebastians Verbindung zu dieser Familie war er noch nicht ganz schlau geworden. Mit Vanja hatte er kein sexuelles Verhältnis, da war sich der große Mann sicher. Deswegen hatte er über die Zeit, die Sebastian vor ihrem Haus verbrachte, auch nie Bericht erstattet.
Der große Mann beugte sich vor und blickte zu Hausnummer 12 hinüber. Er hoffte, dass Sebastian bald wieder herauskommen würde. Es war zwar Hochsommer, doch die Dunkelheit würde trotzdem bald hereinbrechen. Wie im Keller. Wenn die nackte Glühbirne ausging.
A nna Erikssons Gedanken überschlugen sich. Sie hatte diese Formulierung schon oft in Büchern gelesen, sich aber nie vorstellen können, wie etwas so überwältigend sein konnte, dass man einen bestimmten Gedankengang nicht mehr zu Ende verfolgen konnte. Jetzt verstand sie genau, was gemeint war.
Jemand tötete Sebastians ehemalige Geliebte. Die Morde, von denen sie gelesen hatte … und war eine von ihnen.
Sie könnte sterben.
Obwohl eigentlich niemand von ihner damaligen Affäre wusste. Aber er sagte, er sei verfolgt worden.
Als wäre Sebastians Auftauchen im April nicht schon schlimm genug gewesen.
Konnte also doch jemand davon wissen? Womöglich sogar von Vanja wissen?
Sie könnte sterben. Das alles war purer Wahnsinn.
Sebastian saß neben ihr auf dem Sofa. Sie hatte ihm nichts angeboten, er sollte wirklich nicht bleiben. Aber er war noch da.
Auf ihrem Sofa.
In ihrem Wohnzimmer.
In ihrem Leben.
Ihr Leben, das durch seinen Besuch fast unabsehbar schwer geworden war. Sie bemerkte, dass sie einfach nur schweigend dasaß und vor sich hin starrte. Leer.
Sebastian beugte sich etwas näher zu ihr hin.
«Hast du verstanden, was ich gesagt habe?»
Anna nickte langsam, hob ihren Kopf und sah ihn an, als wollte sie ihrer Antwort dadurch Gewicht verleihen.
«Ja, aber es ist Wahnsinn. Niemand weiß davon!»
«Ich hätte auch nicht gedacht, dass irgendwer etwas von den anderen weiß. Aber wenn er die anderen gefunden hat, kann er auch dich finden.»
Anna nickte erneut. Mit zwei der toten Frauen hatte Sebastian vor mehr als zwanzig Jahren einmal etwas gehabt. Alle Opfer stammten aus dem Raum Stockholm. Waren von Familie und Freunden umgeben. Und trotzdem hatten sie sterben müssen. Die Bedrohung war real. Die Unruhe drehte ihr fast den Magen um. Er krampfte sich zusammen. Merkwürdigerweise hatte sie das Gefühl, dass die Einsicht darüber, womöglich in Lebensgefahr zu schweben, noch immer von der Angst überschattet wurde, dass irgendwer irgendwo die Wahrheit über ihre Tochter herausfinden könnte.
«Heißt das denn, dass auch jemand über Vanja Bescheid wissen könnte?», fragte Anna tonlos.
«Das ist keinesfalls sicher, und darum geht es auch gar nicht.» Sebastian verstummte. Er gab einem Impuls nach, streckte seine Hand nach der ihren aus und drückte sie. «Du musst eine Zeitlang verschwinden.»
Anna zog ihre Hand zurück und stand auf. Er durfte sie nicht trösten. Sie nicht berühren oder dafür sorgen wollen, dass es ihr besser ging. Er war an allem Schuld. Wenn sich herausstellen sollte, dass sie Hilfe brauchte, war Sebastian Bergman der Letzte, an den sie sich wenden würde.
«Ich kann doch nicht einfach abhauen.» Sie ging hastig im Wohnzimmer auf und ab und unterstrich mit ihren Gesten, dass das keine Alternative war. «Ich habe eine Arbeit. Eine Familie. Ein Leben.»
«Genau deswegen!»
Anna blieb mitten im Zimmer stehen. Er hatte natürlich recht. Leider.
«Hast du denn niemandem, den du eine Weile besuchen kannst?», fragte Sebastian vom Sofa aus.
«Doch, das schon. Aber mich einfach so aus dem Staub machen? Was soll ich denn sagen? Zu Valdemar? Und Vanja? Was soll ich Vanja sagen?»
«Nichts. Sag ihr nichts darüber, warum du wegfährst. Sie wird es
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