Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
andere führt nur zu Schlamperei und Niederlagen. Jetzt sind wir auf der Verliererspur, hast du das begriffen?»
Ralph wagte es nicht, den Meister anzusehen, so sehr schämte er sich. Die Stärke, die er angesichts der Zeitungsausschnitte verspürt hatte, war wie weggeblasen. Er konnte kaum noch sprechen, war dabei, wieder der alte Ralph zu werden. Der den Menschen kaum in die Augen schauen konnte. Einen Versuch unternahm er aber dennoch.
«Aber warum war die Polizei nicht da? Das verstehe ich nicht. Warum dieser alte Kerl?»
«Weil die Polizei es nicht weiß.»
«Wie meinst du das?»
«Vielleicht hat jemand geahnt, dass du zuschlagen würdest. Genau dort. Aber nicht die Polizei.»
«Wer dann?»
«Was glaubst du?»
«Sebastian Bergman?»
Edward nickte. «Es kann niemand anderes sein. Aber aus irgendeinem Grund wollte er seinen Kollegen nicht erzählen, dass Anna Eriksson vielleicht das nächste Opfer werden würde. Warum?»
«Ich weiß es nicht.»
«Ich auch nicht. Noch nicht. Aber das müssen wir herausfinden.»
«Ich verstehe nicht ganz …»
Ralph wagte es nicht, zu seinem Meister aufzublicken, der ihn verächtlich ansah.
«Natürlich nicht. Aber denk doch mal nach. Du hast doch berichtet, dass er sie verfolgt, und das schon lange.»
«Wen?», fragte Ralph verwirrt.
«Vanja Lithner. Anna Erikssons Tochter», erwiderte Edward knapp.
Ralph kapierte immer noch nichts. Natürlich. Dieser Trottel. Edward hingegen verstand immer mehr. Des Rätsels Lösung war Vanja. Die blonde Frau, deren Brust er berühren wollte. Zunächst hatte er der Tatsache, dass sie Sebastian nach Lövhaga begleitet hatte, nicht viel Bedeutung beigemessen. Dann hatte er erfahren, dass Sebastian sie beschattete. Schon lange. Warum? Warum hatte er eine Polizistin der Reichsmordkommission über Wochen und Monate verfolgt, bevor er zu den Ermittlungen dazustieß? Unbegreiflich, aber nicht unwesentlich. Eine solche Handlung bedeutete etwas. Das Gefühl, dass diese Sache wichtig war, hatte sich verstärkt, als Edward an die Ereignisse im Besuchsraum zurückdachte. Sebastian hatte Vanja unbedingt beschützen wollen, und das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise beschränkte Sebastian Bergman den Umgang mit anderen Menschen auf ein absolutes Minimum. Er mochte Menschen ganz einfach nicht. Aber Vanja bedeutete ihm etwas. Edward wollte unbedingt erfahren, was sich hinter Sebastians unerwartetem Ausbruch verbarg. Und jetzt, nach allem, was passiert war, hatte er vielleicht einen Riss an der Oberfläche entdeckt. Nun galt es, weiterzugraben und ihn zu erforschen. Sich so tief nach unten zu bohren, wie es nur ging.
Ralph stand stumm da und sah sich nervös um.
«Keine Angst, wir haben noch viel Zeit.» Edward lächelte ihn beruhigend an. «Ich möchte, dass du jetzt nach Hause fährst und über die ganze Familie recherchierst. Wann wurde Anna Eriksson schwanger? Wann wurde Vanja geboren? Und wann kam der Mann, Valdemar, in Annas Leben? Ich will alles wissen. Wer ihre Freunde waren. Wo sie studiert hat. Alles.»
Ralph nickte. Er verstand zwar immer noch nicht, worum es dem Meister ging, war aber vor allem erleichtert darüber, dass Edwards Blick nicht mehr nur tiefe Verachtung ausstrahlte.
«Okay.»
«Heute. Jetzt sofort. Sag, dass dir schlecht ist und fahr nach Hause.»
Ralph nickte voller Eifer. Er hatte solche Angst gehabt, dass sein Versagen das Aus für ihn bedeuten würde. Dass das, was er begonnen hatte, im Nichts verschwinden würde. Zerbrechen. Das war das Schlimmste, was ihm passieren könnte. Denn er hatte Gefallen daran gefunden. Am echten Leben.
«Gibst du mir dann die Nächste?», platzte es plötzlich aus ihm heraus.
Die unerwartete Frage verärgerte Edward. Hatte er etwa bereits die Kontrolle über diese Kreatur verloren, die vor ihm stand? Er hatte diesem lächerlichen Sonderling alles gegeben. Hatte ihn erschaffen. Und jetzt stand er hier und versuchte, einen Tauschhandel mit ihm zu treiben. Er würde es ihm schon noch zeigen. Aber noch nicht jetzt, denn jetzt brauchte er ihn. So lange, bis er sich sicher war. Bis er Gewissheit hatte. Also lächelte er ihm beruhigend zu.
«Du bist sehr wichtig für mich, Ralph. Ich brauche dich. Du kannst eine andere haben, wenn du willst. Aber erst musst du diesen Auftrag erledigen.»
Ralph wurde augenblicklich ruhiger und sah gleichzeitig ein, dass er wahrscheinlich zu weit gegangen war. Zu viel gefordert hatte.
«Entschuldigung. Ich will nur …»
«Ich weiß, was
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