Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
weiterginge, würde sich einer von beiden wegbewerben müssen. Und das wollte sie auf keinen Fall. Es war dringend nötig, die Lage zu normalisieren. Sie ging ins Wohnzimmer und nahm ihr Handy.
My öffnete den Backofen und zog das mit Schafskäse gratinierte Schweinefilet heraus. Billy stellte die Schüssel mit dem Couscous und dem kurzgebratenen Gemüse auf den Tisch. Es war ein frühes Abendessen. Als sich herausstellte, dass er an diesem Abend frei haben würde, hatten sie beschlossen, ins Theater zu gehen. Das war nicht von Anfang an seine Idee gewesen, aber sie hatten die Entscheidung gemeinsam getroffen. Billy hatte noch nie von dem Ensemble gehört, das My zufolge in dieser Woche nur vier Gastspiele gab. Spymonkey hießen sie, eine englische Theatergruppe. Physisches Komödientheater, hatte My erklärt. Billy konnte sich darunter nichts vorstellen. Ihm fehlten die Vergleiche.
«Wie eine Mischung aus Monty Python und Samuel Beckett.»
Okay, immerhin eine Referenz, die er verstand. Monty Python mochte er. Zumindest manches. Nicht alles.
Aber diesmal war ohnehin My an der Reihe, etwas auszuwählen. Beim letzten Mal hatte er den Film ausgesucht. Außerdem hatte er viel gearbeitet, und sie hatten sich selten gesehen. Also würde er den britischen Körperhumor problemlos durchstehen, solange er nur in ihrer Nähe sein durfte.
Er schenkte ihnen Wein ein und setzte sich an den Tisch. Seine Essensgewohnheiten hatten sich um tausend Prozent verbessert, seit er My kannte. Das gefiel ihm. Überhaupt gefiel ihm vieles an My. Eigentlich alles. Da klingelte das Telefon. Billy blickte auf das Display, um zu sehen, wer es war. Vanja.
«Tut mir leid, ich muss kurz drangehen.»
«Okay. Mach es kurz.»
Billy stand auf und ging in das andere Zimmer. Er hatte My nicht von dem Gespräch zwischen Vanja und ihm im Auto erzählt. Er mochte sie beide. Und er wollte, dass sie sich auch mochten. Die Chancen dafür würden allerdings beträchtlich sinken, wenn My von dem Wortwechsel erführe, der so vieles zwischen ihnen zerstört hatte. Er setzte sich auf das Sofa und meldete sich.
«Hallo, ich bin es», hörte er Vanja sagen.
«Ich weiß.»
«Was machst du gerade?»
Billy dachte hastig nach. Was sollte er sagen? Die Wahrheit, solange es ging, beschloss er. «Wir wollten gerade essen.»
«Du und My?»
Hörte er einen kleinen Widerwillen in der Art, wie sie Mys Namen aussprach, mitschwingen? Betonte sie das y nicht ein wenig zu lange? Myyy. Oder bildete er sich das nur ein? Suchte er bewusst nach Fehlern? Möglich.
«Ja. Ich und My.» Er sah zur Küche hinüber, wo My gerade am Wein nippte. Anscheinend wartete sie mit dem Essen auf ihn. Sicher irgendeine Etikette. «Jedenfalls ist das Essen gerade fertig, wolltest du irgendwas Besonderes?», fuhr Billy fort und gab sich Mühe, nicht abweisend zu klingen.
«Hast du Lust, anschließend eine Runde mit mir joggen zu gehen?»
«Jetzt?»
Auf diese Frage war er nicht vorbereitet gewesen. Er hätte nicht geglaubt, dass sie sich mit ihm verabreden wollte.
«Später. Wenn du gegessen hast. Inzwischen kühlt es draußen auch langsam ab.»
«Ich weiß nicht …»
«Ich dachte, wir könnten dabei ein bisschen reden. Über uns.»
Billy verstummte. Da war er. Der erste Schritt. Vanja hatte ihn gemacht. Billy sah erneut zur Küche. My schaute ihn lächelnd an und machte mit der Hand Schnatterbewegungen. Er lächelte zurück und verdrehte die Augen, um ihr zu zeigen, dass am anderen Ende der Leitung in der Tat viel geredet wurde. Währenddessen ging er schnell im Kopf seine Möglichkeiten durch. Er wollte joggen. Er wollte auf jeden Fall mit Vanja reden. Über sie beide. Aber er konnte nicht sowohl mit Vanja laufen und mit My ins Theater gehen. Ins Theater wollte er wiederum eigentlich gar nicht, aber er wollte Zeit mit My verbringen. Wollte Wein trinken und bei seiner Freundin sein. Er war gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Vanja und er mussten ihre Probleme lösen, das spürte er. Er wusste es. Aber nicht an diesem Abend. Er entschied sich für My. Das musste sie verstehen.
«Es tut mir sehr leid», sagte er und meinte es ernst. «Aber ich kann nicht.»
«Was hast du denn vor?»
Klang ihre Stimme enttäuscht? Diesmal bildete er es sich wohl nicht ein.
«Wir wollen ins Theater gehen. Uns ein Stück ansehen.»
«Ein Stück?»
Er begriff, wie das klingen musste. Sie wusste, dass er Theater nicht ausstehen konnte. Er entschied sich für etwas, was für ihn grässlich war
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