Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
einfachste Möglichkeit wäre. Doch diese Art, wie sie versucht hatte, ihn zurückzuhalten und die ganze Zeit mehr und mehr über ihn zu erfahren, hatte ihn genervt – und dass sie seine Hand genommen hatte. Irgendwo musste es schließlich auch Grenzen geben für Nähe.
Sebastian ließ seinen Frust an der Café-Betreiberin aus.
«Der Kaffee schmeckt beschissen», sagte er und starrte sie an.
«Ich kann gerne neuen kochen», erwiderte sie beschwichtigend.
«Sie können meinetwegen auch gerne zur Hölle fahren», fauchte er und ging.
Das war’s dann wohl mit dem Stammcafé, dachte er, als er in den lauen Sommerabend hinaustrat. Aber er konnte sich jederzeit ein neues suchen.
Wenn es in Stockholm etwas zur Genüge gab, dann waren es Cafés.
Und Frauen.
Nach einigen kurzen, aber erfolglosen Besuchen in Hotelbars war Sebastian kurz davor, die Jagd nach einer Frau, mit der er diesen miesen Tag beenden konnte, aufzugeben. Dieser Tag entwickelte sich mehr und mehr zu einem einzigen langen Fiasko. Und mittlerweile hatte selbst die Königliche Bibliothek geschlossen. Das pompöse Gebäude im Humlegården war einer seiner Lieblingsorte, um nach weiblicher Gesellschaft zu angeln, die Erfolgsstatistik war einzigartig. Zwei von drei Malen biss eine an. Seine Technik war einfach: Einen zentralen Platz im Lesesaal suchen, ein paar Bücher ausleihen und vor allem einige Exemplare seiner eigenen Werke mitbringen und sie sichtbar platzieren. Dann setzte er sich und tat so, als würde er sich gerade mit einem neuen Text abmühen, sich den Kopf zerbrechen, verzweifelt mit den richtigen Formulierungen ringen … bis er sich schließlich im passenden Moment an eine Frau wandte, die gerade an seinem Tisch vorbeilief: «Hallo, ich schreibe hier an einem neuen Buch und frage mich, ob du Lust hast, mir deine Meinung zu diesem einen Satz zu sagen.» Wenn er es geschickt anstellte, war es von da an nicht mehr weit bis zu einem Glas Wein im Hotel Anglais nebenan.
Sebastian ging sich allmählich selbst auf die Nerven, wie er so planlos durch die heiße Stadt wanderte. Nichts, was er sich vornahm, schien mehr zu funktionieren. Er wurde zunehmend wütender. Er begann geradezu vor Wut zu schäumen, je weiter er ging.
Verdammter Mist, dass alles war, wie es war.
Verdammter Mist, dass nichts so wurde, wie er es wollte.
Er würde sich an allem und allen rächen. Trolle noch einmal anrufen und ihn bitten, so tief zu graben, wie er nur konnte. Sich so weit in das Leben dieses perfekten Menschen hineinzubohren, bis der Dreck endlich zum Vorschein kam. Eigentlich waren an alldem nur Anna Eriksson und Valdemar Lithner schuld. Er würde auch Anna unter die Lupe nehmen müssen. Vielleicht war sie der Schwachpunkt, der Riss, der diese perfekte Mittelklassenfassade zum Einsturz bringen könnte. Irgendetwas Prekäres ließe sich bestimmt auch über sie herausfinden. Lügen und Geheimnisse waren ihr jedenfalls nicht fremd, Vanja wusste immerhin nicht einmal die Wahrheit über ihren Vater. Anna rechtfertigte das sicher damit, dass es für Vanja so am besten sei. Aber wer hatte ihr das Recht gegeben, das zu bestimmen? Wer hatte sie zu einem Gott gemacht? Sebastian wollte seiner Tochter nahe sein, doch momentan bedeutete Nähe einen Mindestabstand von hundert Metern. Als hätte man ihm irgendein Besuchsverbot erteilt. Er blieb stehen. Er würde Trolle bitten, seine Suche auszuweiten. Auch Anna Eriksson zu durchleuchten. Bestenfalls konnte auch das etwas nützen, wenngleich Sebastian in den letzten Monaten gemerkt hatte, dass Vanja ihrer Mutter keinesfalls so nahestand wie ihrem falschen Vater. Sebastian nahm sein Handy, überlegte es sich dann aber anders und steckte es wieder ein. Warum anrufen? Er drehte um und steuerte auf den nächsten Taxistand zu. Er hatte ohnehin nichts Besseres vor. Trolle wohnte in Skärholmen.
Auf ihn konnte man sich verlassen.
Er würde ihn verstehen, denn er hatte auch seine Familie verloren.
B illy saß mit seinem iPad auf dem Sofa und surfte im Internet. My duschte. Anschließend würden sie etwas Essen gehen, hoffte Billy. Vanja und er hatten auf der Rückfahrt bei einem McDonald’s angehalten, aber er hatte nichts bestellt, weil er wusste, dass er sich noch mit My treffen würde.
Sie waren seit dem Mittsommerabend zusammen. Ein alter Schulfreund aus dem Gymnasium besaß ein Sommerhaus auf der Insel Djurö im Schärengarten, und er hatte nun schon das dritte Jahr in Folge dort ein Fest veranstaltet. Diesmal hatte
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