Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Sie?»
Hinde ignorierte die Frage. «Aber sie wollten mit mir reden?»
«Ja. Was können sie denn von Ihnen wollen?»
«Wer kommt denn?»
«Vanja Lithner und Billy Rosén.»
«Glauben Sie, es ist den beiden recht, dass ich das erfahre?»
Haraldsson verlor den Faden, zögerte, musste nachdenken. Tja, vielleicht eher nicht … Sein Plan war es gewesen, Hinde vom Besuchsantrag der Reichsmordkommission zu berichten, in der Hoffnung, dass der dann enthüllen würde, warum sie Interesse an ihm hatten. Wenn er es denn tatsächlich wusste. Damit Haraldsson den Kollegen ein wenig helfen konnte. Einmal Polizist, immer Polizist. Jetzt hatte er das dumme Gefühl, dass sein Plan nicht aufging, aber davon brauchte die Reichsmordkommission ja nichts zu erfahren.
«Das weiß ich nicht genau», antwortete er Hinde mit ernster Miene. «Ich fand nur, Sie hätten das Recht, es zu erfahren. Aber Sie müssen es denen gegenüber vielleicht nicht unbedingt erwähnen, wenn sie kommen – dass Sie bereits informiert wurden, meine ich. Von mir. Sie wissen ja, wie Polizisten sein können.»
Er schloss seine Ausführung mit einem breiten Lächeln, einem Wir-gegen-die-Lächeln. Ein einvernehmliches Lächeln im Wissen um den gemeinsamen Feind.
Edward lächelte zurück. Er hatte in den gesamten letzten vierzehn Jahren nicht so viel gelächelt wie in den letzten Minuten. Aber das war es wert gewesen. Er hatte das Gefühl, dass ihm der Anstaltsleiter Thomas Haraldsson noch von großem Nutzen sein konnte. «Ja, ich weiß, wie Polizisten sein können. Nur die Ruhe, ich sage nichts.»
«Danke.»
«Aber dann sind Sie mir einen Gefallen schuldig.»
Haraldsson konnte nicht erkennen, ob der festgekettete Mann möglicherweise scherzte. Er lächelte noch immer, doch etwas in seinen Augen verriet, dass dies nun blutiger Ernst war. Haraldsson schauderte erneut, diesmal ohne es verbergen zu können, und erhob sich schnell von seinem Platz.
«Ich muss jetzt gehen … Schön, Sie kennengelernt zu haben.»
«Das Vergnügen ist ganz meinerseits.»
Haraldsson ging zur Tür und klopfte. Er warf einen letzten Blick auf den Mann, der jetzt aus dem Fenster starrte. Nach wenigen Sekunden wurde die Tür von außen geöffnet, und Haraldsson verließ das Besuchszimmer mit dem Wissen, dass dieses Gespräch nicht wie geplant verlaufen war, und dem Gefühl, dass Hinde mehr davon profitiert hatte als er. Das war vielleicht nicht ganz optimal. Aber auch keine Katastrophe, redete er sich ein.
Die Reichsmordkommission würde nie erfahren, dass sie miteinander gesprochen hatten.
Und jetzt würde er losfahren, Eis kaufen und einen Film ausleihen.
Hinde würde sich nicht zu einem Problem entwickeln.
T rolle weigerte sich zunächst, die Tür aufzumachen. Sebastian konnte ihn in der Wohnung hören, aber er musste mindestens fünf Minuten lang klingeln, bis sein ehemaliger Kollege endlich die Tür aufschloss und vorsichtig hinausspähte. Ein blutunterlaufenes Auge starrte Sebastian durch den schmalen Spalt an. Die Wohnung hinter dem Gesicht lag im Dunkeln, und es war schwer, irgendwelche Details auszumachen, doch ein Gestank von staubigem Mief und altem Müll drang an Trolle vorbei bis ins Treppenhaus.
«Worum geht’s?»
«Hast du geschlafen?»
«Nein. Worum geht’s?»
«Ich will mit dir sprechen.»
«Keine Zeit.»
Trolle wollte ihm demonstrativ die Tür vor der Nase zuschlagen, aber Sebastian konnte gerade noch seine Schuhspitze in den Spalt schieben. Das hatte er schon tausendmal in Filmen gesehen, aber nie selbst ausprobiert. Irgendwann musste immer das erste Mal sein.
«Es wird dir gefallen, was ich zu berichten habe!» Sebastian machte eine kleine Pause und beschloss, noch einen Köder auszuwerfen. «Ich habe Geld.»
Der Türspalt wurde ein wenig breiter, und das Licht aus dem Treppenhaus erhellte Trolles Gesicht. Er war wirklich gealtert. Er musste jetzt Ende fünfzig sein, wirkte aber zehn Jahre älter. Sein Haar hatte graue Strähnen bekommen und stand ihm wirr vom Kopf ab, sein Gesicht war unrasiert, und er war mager geworden und roch stechend nach einer Mischung aus Tabak und Schnaps. Schon als er noch gearbeitet hatte, war Trolle dem Alkohol nie abgeneigt gewesen, und jetzt, fünfzehn Jahre später, ohne Arbeit und Familie, schien er gar nichts anderes mehr zu sich nehmen. Er trug ein zerschlissenes weißes T-Shirt und Boxershorts. Seine Füße waren nackt und die Zehennägel gelb, krumm und viel zu lang. Er war nicht bloß gealtert. Er war
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