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Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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aufzulegen. Sie spürte, dass die schwarz gekleidete Frau geradezu perfekt wäre, wenn sie, abgesehen von der Kleidung, auch noch den Mut hätte, ihr Haar schwarz zu färben. Aber das wagte sie nicht, obwohl das Outfit es erfordert hätte. Deshalb zog sie es wie immer wieder aus. Ersetzte es durch eine ordentlicher wirkende, etwas geschäftsmäßige weiße Bluse und einen dunklen Rock. Auch als diese Frau fühlte Annette sich wohl. Zeitlos auf eine Weise, nach der sie sich sehnte. Doch auch dieser Typ stellte zu hohe Anforderungen. Volleres Haar. Drallere Formen. Eine bessere Haltung. Alles musste besser sein. Vielleicht später einmal. Bald. Die Kleider wurden an- und ausgezogen. Die schwarze Bluse mit den weißen Hosen, die Jeans mit dem ausgebeulten Pullover, das Kleid mit der Strickjacke. Annette liebte es, den verschiedenen Identitäten zu begegnen, die in dem dunklen Schrank gehangen und auf sie gewartet hatten. Frauen, die vor den Spiegel traten. Neue Frauen, bessere Frauen, interessantere Frauen. Nie Annette. Immer andere. Genau das war ihr Problem. So sehr sie die Frauen, die vor ihr standen, auch mochte, traute Annette sich doch nie, sie aus dem Spiegel treten zu lassen. Die Sicherheit und das Spiel wurden allmählich von Zweifeln und Angst abgelöst. Ihre Auswahl wurde immer vorsichtiger und begrenzter.
    Diese Kleidungsroutine nahm einen halben Tag in Anspruch. Sie begann immer mit einem auffälligen, schicken Outfit und endete damit, dass Annette sich selbst und ihre Kleidung kleinmachte.
    Zuletzt blieben stets drei Möglichkeiten übrig.
    Schwarze Bluse. Weiße Bluse. Oder der Rollkragenpullover.
    Dazu Jeans.

S tefan wusste, wo er Sebastian suchen musste. Vor dem Polizeipräsidium oder vor Vanjas Wohnung – das waren die Orte, die in ihren Gesprächen ständig wiederkehrten, und so beschloss er, dort anzufangen. Da es schon nach acht Uhr abends war, schien das Polizeipräsidium die am wenigsten überzeugende Möglichkeit. Stefan rief kurz bei der Auskunft an und bekam die Adresse von einer Vanja Lithner in der Sandhamnsgatan 44. Er ließ sich vom Navi seines Wagens dorthin leiten. Langsam lief ihm die Zeit davon. Die Gruppentherapie begann um neun, und er handelte eigentlich gerade im Widerspruch zu seinen eigenen Prinzipien. Das Ganze sollte auf Freiwilligkeit beruhen. Die betreffende Person musste sich selbst zur Teilnahme entschließen, das war eine wichtige Voraussetzung. Aber Sebastian war anders. Es schien, als stünde ihm sein eigenes Wissen im Weg. Er traf mit Absicht falsche Entscheidungen. Dieser Sorte Patient begegnete Stefan nicht zum ersten Mal. Oft war er gezwungen, solche Leute gehen zu lassen. Sie loszulassen. Sebastian war jedoch in gewisser Weise auch sein Freund. Ganz gleich, wie kompliziert ihre Beziehung auch war. Und in solchen Fällen musste man ab und zu gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen. Denn wenn selbst Stefan ihn losließ, wer sollte dann noch versuchen, Sebastian in seinem freien Fall aufzuhalten?
    Stefan parkte seinen Wagen ein Stück von der Nummer 44 entfernt und machte sich zu Fuß auf den Weg. Während er ging, sah er sich in dem schattigen Wohngebiet um. Die Häuser lagen in Reihen nebeneinander, aber nicht zu dicht, sondern eindeutig der Philosophie folgend, die Natur bis vor die Haustür zu lassen. Vor dem Eingang der 44 standen einige Erwachsenen- und Kinderfahrräder in einem Ständer. Stefan blieb stehen und blickte sich um, überlegte, wo er selbst Position beziehen würde, wenn er ungestört in eine der oberen Wohnungen im Haus spähen wollte. So weit von der Straße entfernt und so geschützt wie möglich, entschied er. Hinter dem Haus lag ein Felshügel mit dichten Laubbäumen. Schattige Büsche verdeckten die Sicht darauf. Dass er richtig gewählt hatte, zeigte sich, als Sebastian Bergman plötzlich mit verängstigter Miene hinter dem dicksten Baumstamm hervorlugte.
    «Was zum Teufel treibst du hier?», fragte Sebastian. Stefan musste sich beherrschen, nicht in Gelächter auszubrechen, als er den Mann sah, der ihn mit wütendem Blick durch das Laubwerk hindurch anstarrte. Er wirkte wie ein Teenager, den man beim Rauchen erwischt hatte.
    «Ich wollte dich mal in deiner neuen heimischen Umgebung sehen.»
    «Hör auf. Und geh weg, bevor dich jemand entdeckt.»
    Stefan schüttelte den Kopf und machte sich noch sichtbarer, indem er sich demonstrativ einige Schritte von Sebastian entfernt auf die offene Rasenfläche stellte.
    «Nicht, ehe du mit mir

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