Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
würde er an eine liebgewonnene Erinnerung denken, eine bessere Zeit. Oder als wäre er einfach nur besonders zufrieden mit seiner Formulierung. «Wir haben die Bestsellerlisten gestürmt. Es gab Signierstunden. Lesungen und Vorträge in ganz Europa. Vielleicht auch in den USA, wie war es denn dort, Sebastian?»
Sebastian antwortete ihm nicht. Er lehnte sich scheinbar teilnahmslos an die Wand und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust, während er Edward Hinde mit einem beinahe provokanten Blick beobachtete.
Hinde erwiderte ihn unbeeindruckt und legte seinen Kopf ein wenig schief, ehe er sich wieder an Vanja richtete. «Er bleibt stumm. Ein guter Plan. In diesem Land mögen wir unbequemes Schweigen nicht besonders. Also versuchen wir es auszufüllen. Schwätzen drauflos. Reden uns um Kopf und Kragen.» Edward stockte kurz, als überlegte er, ob er jetzt zu viel gesagt hatte und gerade selbst ein Beispiel dessen geliefert hatte, worüber er dozierte. «Ich bin auch Psychologe», erklärte er Vanja schließlich. «Ich war zwei Jahrgänge über Sebastian. Hat er Ihnen davon erzählt?»
«Nein.»
Sebastian beobachtete Hinde wachsam. Worauf wollte er hinaus? Warum erzählte er das alles? Dieser Mann tat nichts unüberlegt. Alles folgte einem Zweck. Die Frage war nur, welchem.
«Er wollte nicht erkennen, wie ähnlich wir uns sind.» Hinde redete weiter. «Psychologen mittleren Alters, die ein kompliziertes Verhältnis zu Frauen haben. Was das angeht, haben wir doch wirklich einen gemeinsamen Nenner, oder etwa nicht, Sebastian?»
Hindes Blick wanderte von Vanja zu Sebastian. Plötzlich hatte Vanja das sichere Gefühl, dass Hinde etwas mit den vier Morden zu tun hatte. Nicht nur als Inspirationsquelle. Er war involviert, und zwar tatsächlich. In irgendeiner Weise. Wie genau, ahnte sie nicht, aber er wusste garantiert, warum sie hier waren.
Es war nur ein Gefühl, schwer zu fassen, reine Intuition. Hin und wieder hatte sie eine plötzliche Eingebung. Manchmal kam sie ihr, wenn sie einen Verdächtigen vor sich hatte oder ein Alibi überprüfen musste. Eine plötzliche innere Überzeugung, dass es einen Zusammenhang gab. Dass jemand involviert oder sogar schuldig war, auch wenn es keine physischen Beweise, vielleicht nicht einmal eine Indizienkette gab, die in diese Richtung wies. Aber das Gefühl war da. Es konnte durch alles Mögliche hervorgerufen werden: durch Körpersprache, durch die Art und Weise, wie die betreffende Person einen ansah oder durch einen Tonfall, der in einer ansonsten alltäglich wirkenden Konversation plötzlich falsch klang. Und jetzt war ihr an der Art, wie Hinde Sebastian angeredet hatte, etwas aufgefallen. Ein kleiner, nahezu unmerklicher Unterton, in dem Selbstgefälligkeit und Triumph mitschwangen. Leicht zu überhören, aber es gab ihn, und das genügte Vanja. Torkel hatte wohl recht gehabt, auch wenn sie das nie offen zugeben würde: Hinde mit Sebastian zu konfrontieren, war eine richtige Entscheidung gewesen.
«Was wissen Sie über meine Frauen?», fragte Sebastian, ohne mit dem Klang seiner Stimme anzudeuten, dass sie sich nun dem eigentlichen Thema ihres Besuchs annäherten.
«Dass es viele sind. Oder jedenfalls waren. Wie es sich heute verhält, weiß ich nicht.»
Sebastian gab seinen Platz an der Wand auf, zog den freien Stuhl nach hinten und setzte sich.
Edward Hinde nahm ihn in Augenschein. Er war älter geworden. Edward glaubte zu wissen, warum. Nicht nur wegen der Jahre, die vergangen waren. Das Leben hatte Sebastian nicht immer nett behandelt. Edward überlegte kurz, ob er die Ehe mit der Deutschen ansprechen sollte. Und Sebastians Tochter.
Den Tsunami.
Die Information, die ihm so viel Freude bereitet hatte, als er sie endlich herausgefunden hatte, was nicht einfach gewesen war. Sebastians privater Verlust war nicht groß in der Presse thematisiert worden. Edward hatte ein wenig Detektivarbeit leisten müssen. Puzzleteile zusammenfügen. Zwei und zwei zusammenzählen.
Es hatte damit begonnen, dass er in einer Auflistung über die Toten und Vermissten zwei Namen entdeckt hatte, die er zu kennen glaubte. Eine Liste mit Schweden oder anderen, die eine Verbindung zu Schweden hatten. Unter diesen fünfhundertdreiundvierzig Namen waren ihm zwei Namen bekannt vorgekommen, Lily Schwenk und Sabine Schwenk-Bergman. Daraufhin hatte er systematisch die Zeitungsarchive nach früheren Meldungen durchsucht. Im Jahr 1998 wurde er fündig. Eine kleine Notiz gab Auskunft darüber,
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