Die Frauen von Bramble House
ich meine heut abend. Kurz bevor ich zu euch rüberkam. Meine Großmutter und ich … also, Oma hat sich mit mir ausgesprochen, und ich weiß jetzt, was hinter ihren fortgesetzten Leiden steckt, den echten und den eingebildeten. In ihrem Leben hat es ihr an Liebe gefehlt, von Anfang an. Von Anfang an hat die Urgroßmutter ihr Leben bestimmt und beherrscht. Vielleicht ist es ja sehr spät, aber ich glaube, sie und ich, wir haben uns endlich gefunden, weißt du, und ich fühle mich auf einmal da drüben nicht mehr so allein.«
»Mein Gott, Peggy! Peggy! Wenn du so was sagst … daß du einsam bist … das tut mir verdammt weh, bis auf die Knochen weh! Ich lieg da drüben Nacht für Nacht …« Sie fühlte seine Kopfbewegung zurück zu seinem Haus mehr, als daß sie sie gesehen hätte. »Und dabei bin ich die ganze Zeit hier drüben bei dir! Ich bin in eurem Haus um dich und begleite jeden deiner Schritte, bis du zu Bett gehst. Und dann, dann zerre ich dich aus dem Bett und von ihm weg. Ach, Peggy, was soll ich denn bloß machen? Ich habe es doch versucht, dich aus meinen Gedanken zu vertreiben. Wirklich, ich hab es versucht. Ich hab mich sogar dazu verstiegen und Kitty McKenna letzte Woche ins Kino eingeladen. Aber das war ein Irrtum, in mehr als nur einer Hinsicht. Sie hat mir ein Weihnachtsgeschenk geschickt. Eine Krawatte … eins von diesen handgestrickten Dingern.«
Der Anflug von Spott in seiner Stimme paßte so genau zu dem Gelächter, das in ihr aufstieg, und das sie nicht mehr unterdrücken konnte. »Wirklich? Kitty McKenna? Oh, Charlie, jetzt hängst du in der Schlinge. Denn die ist doch schon seit Jahren hinter dir her. Ihre Mutter gibt Klavierunterricht und, falls ich mich nicht irre, geigt sie auch noch herum. Ach nein, natürlich spielt sie Violine, denn sie sind ja dermaßen fein, das es niemals eine Fiedel sein könnte, auf der sie geigt, was? Ach, mein armer Charlie!« Sie brach ab, und dann standen sie alle beide stumm da, als wären sie allein. Der Wind fuhr durch die kahlen Äste, und es rauschte, aber sie blieben immer weiter so stehen.
Wer von ihnen zuerst die Arme ausstreckte, wußten sie hinterher nicht mehr, doch auf einmal hielten sie sich fest umschlungen, und ihre Lippen preßten sich hungrig aufeinander. Sie schwankten, als wären auch sie von der Wucht des Windes gepackt.
Danach blieb sie weiter eng an ihn gelehnt, die Wange gegen seinen Hals gepreßt. Sie stammelte leise: »Das … hätte nicht sein dürfen, Charlie. Ich hatte mir immer geschworen, daß es nie passieren würde.«
»Das ist bereits vor langer Zeit passiert, Liebes, als wir noch ganz klein waren und hier im Wäldchen gespielt haben. Aber jetzt kommt es darauf an, was werden wir tun? Hauptsächlich, was wirst du tun? Ich bin bereit, wann immer du willst. Wir könnten fortgehen …«
Ihr Körper straffte sich. »Charlie, Charlie, wir können nie fortgehen … da ist doch das Kind.«
»Sicher, das Kind. Aber wir könnten sie doch mitnehmen, Dummerchen.«
»Das würde er niemals zulassen, kapierst du denn nicht? Ich sage dir doch, er ist wie besessen von ihr; er würde uns nicht nur vor den Richter bringen, sondern … sondern, glaube ich, jeden umbringen, der es wagen sollte, sich zwischen sie und ihn zu drängen. Und das … davor habe ich Angst, vor diesem übertriebenen, diesem unnatürlichen Gefühl. Und es ist unnatürlich, denn er ist gar nicht wie andere normale Väter. Er benimmt sich nicht so, nicht daß ich besonders große Erfahrungen hätte, wenn ich an meinen eigenen Vater denke. Aber er tut so, als hätte er sie ganz höchstpersönlich und allein geboren. Sie gehört ganz ihm, das hat er gesagt. Gerade vorhin hatten wir einen schlimmen Krach; ich habe ihm Kontra gegeben, aber tief drinnen fürchte ich mich, nein, ich habe eine Höllenangst.«
»Wenn das so ist, dann muß etwas geschehen. Du kannst einfach nicht so weiterleben, mit einer Höllenangst. Aber sag mir eins, wenn es nicht wegen Emma wäre, würdest du dann mit mir weggehen?«
»Oh, Charlie, ja, sofort! Oh ja, mein Liebster.« Sie gab ihm einen innigen und zärtlichen Kuß. »Aber ich habe auch Angst um sie, auf eine ganz merkwürdige Weise habe ich Angst um das Kind. Aber bitte, Charlie, sag davon nichts zu deinen Eltern, ja?«
»Nein, bestimmt nicht. Aber meine Mutter ist nicht dumm. Sie hat ihn schon vor Jahren durchschaut, ebenso wie deine Urgroßmutter.«
»Da ist aber noch was, Charlie. Du mußt auch an deine Karriere denken, die so
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