Die Frauen von Bramble House
möglichen Seiten! Aber ich möchte wissen, was der Anlaß war, und ich werde es erfahren. Ja, das will ich und das werde ich.«
»Bring mir eine Schüssel, Peggy.« Frank nahm ihr den Krug aus der Hand und sagte zu seiner Frau: »Zieh ihm das Kinn nach unten, May!«
Als das heiße Salzwasser in seinen Mund lief, schluckte Andrew und rülpste, und alles wäre wieder herausgeflossen, hätte nicht May ihm heftig die Backen zusammengedrückt.
»Stellt ihn auf die Füße und zwingt ihn, auf und ab zu gehen. So macht man das! Es nutzt nichts, wenn ihr ihn da liegen laßt. Stellt ihn auf die Beine!«
»Schön, Mrs. Funnell. Wenn Sie uns Platz machen würden, dann tun wir das und stellen ihn auf die Beine.« Franks Ton entsprach dem Ausdruck auf seinem Gesicht, und Mrs. Funnell wies ihn sofort zurecht: »Schreien Sie mich nicht an, Frank Conway! Sie vergessen wohl, wo Sie sich befinden!«
»Halten Sie den Mund, Frau!«
Das zwang Mrs. Funnell zu empörtem Schweigen. Doch ihre Empfindungen waren deutlich auf ihrem grimmigen Gesicht abzulesen, als sie zusah, wie dieser Mann und diese Frau, die sie nie gemocht hatte, weil sie sie für ordinär hielt, die fast leblose Gestalt im Zimmer auf und ab schleppten. Und das taten sie weiter, bis er würgte und reichlich Flüssigkeit in die Schüssel erbrach, die Peggy ihm widerwillig unterhielt.
Darauf legten sie ihn wieder aufs Bett. Als er anfing zu stöhnen, sagte May: »Er wird’s überleben.« Dann richtete sie den Blick auf Mrs. Funnell und fügte hinzu: »Leider.« Ehe sie aus dem Raum ging.
Peggy folgte ihr bis zum Treppenabsatz. »Kaum zu glauben, wie? Daß er so weit gehen würde? Hättest du das gedacht?«
»Oh, Menschen wie er bringen alles fertig. Er ist ein Irrer. Nein, kein Geisteskranker, sondern nur ein verschlagener, krummer Scheißhund. Ja, so würde ich ihn nennen. Jedenfalls, jetzt hast du ihn da, wo du ihn haben wolltest. Und was die Alte da drin betrifft … ach, wie gern wäre ich eine Fliege an der Wand, wenn du ihr das Allerneueste sagst! Jedenfalls, wenn du mich brauchst, ruf mich. Frank wird sich denken, daß ich wieder nach drüben gegangen bin.«
Peggy trat ins Zimmer ihrer Großmutter. Victoria saß auf der Bettkante, den einen Arm auf den Leib gepreßt. Sie fragte nur: »Ist er tot?«
»Nein. Keine Spur. Soweit ich es rausfinden konnte, hat er gerade genug geschluckt, um umzukippen. Er hat genau gewußt, was er tat. Und das alles nur, um Emma zu beeindrucken.«
»Was für ein Jammer, daß er sich nicht selber einen Streich gespielt hat und zu seiner Überraschung doch auf einmal tot war. Ein großer Jammer! Mutter hat sich aufgeführt wie eine Irre, als sie ihn gefunden hat. Es war einer Zufall, daß sie ihn fand, selbstverständlich. Wenn er gemacht hat, was du sagst, konnte er ja vorausberechnen, was sie tun würde: Als er nämlich nicht zu ihr ins Zimmer kam, um ihr das Händchen zu halten, mußte sie ja kommen und an seine Tür klopfen, weil er niemals nach Hause kommt, ohne sie zu begrüßen, egal, wo sie grad ist. Ich habe mal zu ihm gesagt: Meine Mutter thront auf dem Klo, aber sie schließt nie ab.«
»Ach, Omi!« Peggy hätte gern losgelacht, doch sie wußte, wenn sie das tat, würde es ein hysterischer Ausbruch werden. »Leg dich wieder ins Bett, Liebes.«
Sie packte ihre Großmutter wieder ein, dann neigte sie sich zu ihr und sagte lächelnd: »Ich denke, ein Glas Sherry wäre jetzt angebracht. Es ist ein besonderer Anlaß.«
»Ach, Peggy-Kind! Peggy!« Die Bettdecke bebte. »Bring mich bloß nicht zum Lachen! Aber ja, ein Gläschen Sherry … es ist wirklich ein Anlaß.«
Eine Stunde später begriff Andrew Jones, daß er der Welt der Lebenden zurückgeschenkt war. Und er begriff auch, daß man keinen Arzt gerufen hatte. Er schaute zu Frank Conway hinauf. »Es tut mir leid, es war dumm von mir. Ist der Doktor schon weg?«
»Es war gar keiner da«, sagte Frank brüsk. »Mrs. Funnell hielt es für besser, keinen Arzt zu holen, weil Sie ja nur ziemlich wenig geschluckt haben. War Ihnen das schon klar, als Sie diesen halbherzigen Versuch machten?«
»Was? … Was meinen Sie damit … halbherzigen … Versuch?«
»Genau, was ich gesagt habe. Sie haben nur genau soviel geschluckt, daß sie schön vierundzwanzig Stunden lang durchgeschlafen hätten. Schön, ich verschwinde jetzt. Das nächste Mal würde ich an Ihrer Stelle die Sache richtig machen. Schlucken Sie’s mit Whisky, dann geht’s besser.«
Als er wieder allein
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