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Die Frauen von Bramble House

Die Frauen von Bramble House

Titel: Die Frauen von Bramble House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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seiner Patienten verscheucht zu haben.«
    Eine angenehme Stimme, man hörte, daß er nicht aus dieser Gegend kam, wahrscheinlich war er aus dem Süden.
    Langsam ging sie zu dem Sessel und setzte sich. »Ich glaube nicht, daß Sie mir viel helfen können, Doktor. Ich bin eigentlich nicht meinetwegen hier. Ich habe meine Tochter hergebracht, und … und Dr. Rice kennt sie eben schon. Und sie ist eben nervlich ziemlich durcheinander … und …«
    »Nun, wahrscheinlich kann ich Ihnen ja nicht so kompetent helfen wie Dr. Rice, aber wenn Sie mir sagen möchten, was Sie bedrückt, vielleicht kann ich Ihnen dann doch einen Rat geben. Hat Ihre Tochter aufgehört zu essen?«
    »Ach nein, das ist es nicht, aber sie mäkelt ziemlich herum und ißt immer noch nicht anständig wie früher. Nein, verstehen Sie’ … es ist eine sehr delikate und peinliche Sache.« Es kam stammelnd heraus, und sie wandte sich ab, ehe sie weitersprach. »Es … es geht um ihren Vater … Er ist dermaßen besitzergreifend, war es immer schon … aber in der letzten Zeit ist es immer schlimmer geworden, und natürlich belastet sie das mehr und mehr.«
    »Aha. Nun, aber so etwas geschieht ja recht oft zwischen Vätern und Töchtern.«
    »Ach, wirklich?« Sie meinte: Das glaube ich nicht. Aber er nickte nur. »Ich kann Ihnen versichern, daß es so ist. Aber, was möchten Sie nun eigentlich? Daß ich mit Ihrer Tochter rede, oder soll ich nur Ihnen zuhören?«
    Sie blickte den Mann scharf und prüfend an. Er sprach zwar recht selbstsicher, aber mit seinen blonden Haaren, den grauen Augen und der schlanken Gestalt wirkte er so jung, gar nicht wie ein richtiger Arzt. Aber, dachte sie, die müssen ja auch irgendwo, irgendwie einmal anfangen.
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«
    »Fünfzehneinhalb, also, schon drüber, im Dezember wird sie sechzehn.«
    »Schön, also wenn ich mich jetzt einmal ein bißchen unterhalten könnte, ich glaube nicht, daß das zu Komplikationen führen wird.«
    Hätte sie jetzt sagen können: Nein, Sie sind zu jung. Ich warte lieber, bis Dr. Rice wieder da ist? Nein, das wäre doch zu unhöflich gewesen. Also sagte sie: »Ja, also gut.«
    Er drückte eine Taste und sagte: »Würden Sie dann bitte draußen warten?«
    »Sie wollen allein mit ihr reden?«
    »Ja. Wenn Sie nichts dagegen haben. Ich stelle oft fest, daß junge Menschen gehemmt sind, wenn ihre Eltern dabei sind.«
    Das klang, als wäre er denn doch nicht ganz so jung und unerfahren, wie er wirkte. »Also, schön«, sagte sie.
    Als dann die junge Person ins Sprechzimmer trat, war er eindeutig verblüfft. Er stand auf und starrte das Mädchen an, das langsam hereinkam. Sie war hochgewachsen, dunkles Haar, große dunkle Augen in einem bleichen Gesicht. Fünfzehneinhalb? Er hätte das Mädchen auf Siebzehn, sogar achtzehn geschätzt. Und sie bewegte sich gerade und selbstsicher, oder war es sogar ein wenig herausfordernd? »Setzen Sie sich bitte«, sagte er und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Ja, ich weiß, ich bin nicht Dr. Rice. Mir sind heute früh schon ’ne Menge Patienten davongelaufen, weil ich nicht Dr. Rice bin. Also bin ich richtig froh, daß Sie es über sich bringen konnten, mich zu konsultieren.«
    Emma sah den Mann verdutzt an. Ihre Mutter hatte ihr nichts davon gesagt, daß sie einen Vertreter von Dr. Rice im Sprechzimmer finden würde. Sonst wäre sie nämlich gar nicht erst hereingegangen. Aber der junge Mann da war so ganz anders als der alte Hausarzt Dr. Rice, der – wenn sein Hörgerät nicht richtig saß – einen anschrie, als wäre man selber taub.
    Er lächelte sie an und sagte: »Ich habe sogar der Sprechstundenhilfe sagen müssen, daß sie den Patienten nicht sagen soll, daß sie hier nicht ihren Arzt vorfinden würden. Trotzdem sind mir ein paar von denen ausgerissen.«
    Dieses Wort hätte es beinahe geschafft. Sie wollte lächeln, obwohl ihr gar nicht danach zumute war. Ihr war übel. Wie eigentlich immer in letzter Zeit. Tief drinnen wühlte unablässig dieses Ekelgefühl. Und wenn dann ihr Vater sie mit seinen Händen berührte, überkam es sie, und sie hätte ihm am liebsten den ganzen Anzug vollgekotzt. Und es war immer schlimmer geworden. Seit dieser Sache mit seinem Selbstmordversuch hatte sie Angst vor ihm bekommen, wirkliche echte Angst. Denn er würde es noch einmal tun. Er hatte es ihr gesagt, daß er es wieder tun würde.
    »Auf welche Schule gehen Sie denn?«
    »Die Fenton High School.«
    »Oh. Soweit ich weiß, eine sehr gute

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