Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Bramble House

Die Frauen von Bramble House

Titel: Die Frauen von Bramble House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
Vom Netzwerk:
Schule. Was sind Ihre Lieblingsfächer?«
    »Eigentlich habe ich keine. Angeblich bin ich ganz gut in Englisch, aber meine Noten sind nicht besonders gut.«
    »Und wieso nicht?«
    »Weil ich nicht genug arbeite.«
    »Oh.« Er lehnte sich auf seinem Sessel zurück. »Na, das ist immerhin ein sauberer Rückschlag direkt aus der Schulter. Und ich verstehe auch, wieso …«
    »Nein, das können Sie nicht!« Sie spuckte es ihm fast entgegen.
    Er beugte sich nun vor, legte die Arme auf den Schreibtisch und sagte: »Es wird Sie überraschen, aber das kann ich tatsächlich.«
    Sein Ton hatte sich verändert. Er klang gar nicht mehr weich und einschmeichelnd.
    »Sie sind nicht die einzige junge Frau, die gewisse unerfreuliche Erfahrungen mit ihrem zu liebevollen Vater gemacht hat oder noch macht. Das passiert Jungs ebenfalls, müssen Sie wissen.«
    Sie war baff. Sie starrte den Mann an und überlegte sich, was ihre Mutter ihm gesagt hatte, warum sie in die Praxis gekommen waren. Aber er redete einfach weiter.
    »In der Regel passiert sowas eher umgekehrt, daß die Mutter ihren Sohn nicht loslassen will. Aber lassen Sie mich Ihnen sagen, es ist weitaus schlimmer, wenn es ein Vater ist. Also, verstehen Sie, ich weiß wirklich, was dahinter steckt. Jeder Schritt wird beobachtet und kontrolliert. Wann kommt das ›Kind‹ heim. Du mußt gut sein, dich hervortun in dem und dem und dem … Alle Chancen nützen, die er nicht bekam. Ist das so bei Ihnen?«
    »Nein.«
    Also, nein, natürlich. Der junge Arzt spürte, daß es nicht das war. Es war weit schlimmer, übler, viel hinterhältiger und zerstörerischer. Also ging er auf ihre Antwort nicht ein, sondern sagte nur noch: »Also verstehen Sie, ich weiß wirklich, warum Sie keine Lust haben, sich in der Schule anzustrengen. Und das würde ich nicht wissen, wenn es da nicht meine eigene affenliebevolle Mutter gegeben hätte … Aber Sie, Sie haben eine prima Mutter. Und sie ist sehr attraktiv.«
    Die Verblüffung war unverkennbar, als sie sagte: »Was? Sie finden meine Mutter attraktiv?«
    »Ja, aber gewiß doch. Sie ist eine äußerst anziehende junge Frau.«
    »Aber sie ist doch schon über dreißig.«
    Der Mann lächelte. »Dreißig? Und das erscheint Ihnen als sehr alt, ja?«
    »Also, jung ist es nicht.«
    Sein Lächeln erlosch, und die nächsten Worte prallten wie ein Hagel auf sie nieder. »Wie drückt sich diese besitzergreifende Zuneigung Ihres Vaters Ihnen gegenüber aus? Fummelt er an Ihnen herum?«
    Ihr Mund klappte auf und wieder zu, und am liebsten wäre sie hinausgerannt, aber der Mann da war schließlich Arzt. Er schien alles über so etwas zu wissen. Außerdem war er nicht Dr. Rice. Dr. Rice hätte nicht so mit ihr geplaudert; der hätte sie angeblafft und gesagt: Ich will ihn sprechen. Du wirst ihm sagen, er soll in meine Sprechstunde kommen. Oder wahrscheinlich hätte er es zu ihrer Mutter gesagt. Aber dieser neue Arzt war ganz anders; außerdem war er auch noch jung; nun ja, jünger.
    Sie hielt den Kopf gesenkt, als sie sagte: »Ja.«
    »Und Sie mögen das nicht?«
    »Nein.«
    »Haben Sie … haben Sie ihm das gesagt? Ihm klargemacht, daß Sie das nicht mögen?«
    Nun hob sie den Kopf, und sie spuckte die Worte beinahe aus: »Ja! Ja, das habe ich … Schon seit Jahren habe ich’s ihm immer wieder gesagt, aber ich wollte ihm nicht weh tun, weil ich ihn ja liebhatte. Aber seitdem er versucht hat, sich …«
    Sie brach ab und blickte zur Seite. Und als sie nicht weitersprach, fragte er: »Er hat einen Selbstmordversuch gemacht?«
    Sie sprach noch immer nicht.
    »Hat er?«
    »Ja.«
    »Wann war das?«
    »Vor ein paar Monaten.«
    »Ist Dr. Rice informiert?«
    Nun blickte sie ihm ins Gesicht. »Nein. Nein, meine Urgroßmutter hat das Ganze vertuscht. Sie würde einen solchen Skandal nicht dulden.«
    »Und wenn er dabei gestorben wäre? Dann wäre der Skandal doch unvermeidbar geworden?«
    Sie sah im jetzt fest in die Augen. »So etwas zieht sie überhaupt nicht in Betracht; sie macht sich ihre eigenen Gesetze.«
    Er hatte von dieser Funnell-Familie und der alten Matriarchin gehört, als Dr. Rice ihm Kurzinformationen über den Patientenstamm gab. »Ein eitles, borniertes altes Fossil«, waren Dr. Rices Worte, wenn er sich recht erinnerte.
    »Warum haben Sie nicht früher mit Ihrer Mutter darüber gesprochen?«
    »Oh, sie weiß Bescheid. Sie hat ihm deswegen schon seit Jahren zugesetzt. Aber … aber das schien alles immer nur schlimmer zu machen.«
    »Und Sie haben

Weitere Kostenlose Bücher