Die Frauen von Bramble House
sich seinen Annäherungen immer entziehen können?« Es klang entsetzlich gestelzt, aber ihm fiel im Augenblick nichts anderes ein.
»Doch, das habe ich.«
»Immer?«
Sie überlegte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Also, nein … vor ein paar Jahren … also, ich habe es ja nicht so richtig begriffen … und es war mein Daddy, der mich liebte. Ja, darum ging es die ganze Zeit, er liebte mich.«
»Hat er … ich meine …?«
»Ich weiß, was Sie meinen, Doktor, und nein, nein, nein, er hat nicht, aber …« Sie sprang plötzlich auf und stand stocksteif da. Auch er erhob sich. »Nun, nun, nur ruhig!« Er nahm sie bei der Hand und zog sie langsam zum Fenster und zeigte hinaus. »Da, sehen Sie sich das an! Ist das nicht ein wundervoller Garten? Man möchte kaum glauben, daß ein Mann wie Dr. Rice ein Blumenfreund ist? Bei seinem barschen Ton? Und ständig hämmert er die Fäuste auf den Tisch. Ach, nein. Sie können ja davon nichts wissen, daß er mit den Fäusten den Tisch bearbeitet. Aber er macht das mindestens dreimal bei jeder Mahlzeit. Ich wohne vorläufig nämlich bei ihm, bis ich was Eigenes gefunden habe. Ich mochte diese Stadt nicht besonders, als ich hierher kam, und … und das muß ich Ihnen jetzt ganz leise sagen … ich mochte auch ihn nicht besonders, weil er glaubt, weil er ein Hörgerät benutzen muß, sind alle anderen Menschen taub.« Er lächelte Emma breit an und fügte hinzu: »Aber ist dieser Garten nicht wirklich schön? Er hat mir die andere Seite von Dr. Rice gezeigt. Wenn ein Mensch Blumen lieben kann und so einen Garten anlegen, dann muß er auch seine guten Seiten haben. Wissen Sie, ich finde, alle Menschen haben immer auch noch eine gute Seite. Und so hat bestimmt auch Ihr Vater seine gute Seite, aber er muß auch eine schlechte haben. Bestimmt!« Er sah sie jetzt ernst und offen an. »Und gegen die müssen Sie sich wehren. Ich weiß, das tun Sie, aber Sie müssen es auch klar und deutlich mit Worten sagen. Sie dürfen in so einem Fall nicht übertrieben sanft und freundlich sein. Wenn er versucht, Sie zu berühren, klopfen Sie ihm auf die Finger und sagen ihm: ›Ich will das nicht. Nie mehr! Und wenn du das noch einmal machst, gehe ich zum Doktor!‹ Das schreckt die meisten ab. Ich weiß nicht, ob es Ihren Vater abhalten wird. Ach, übrigens, gehen Sie aus? Ich meine, treiben Sie Sport, gehen Sie tanzen?«
»Ich gehe nicht tanzen, jedenfalls nicht mehr. Er hat versucht, sich umzubringen, weil ich in eine Disko gegangen bin. Meine Mutter sagt, er hat es nur gemacht, um mir Angst einzujagen. Jedenfalls, ich gehe nicht mehr tanzen, aber ich spiele Tennis.«
»Wirklich? Ich auch. Ihr habt hier zwei sehr gute Plätze. Der an der Mowbray Road ist exzellent. In einem war ich nämlich immer sehr gut, in Tennis. Beim Rugby taugte ich nicht viel, und beim Kricket war ich hoffnungslos. Aber wissen Sie was?« Er kam mit dem Kopf näher. »Und das dürfen Sie nicht weitersagen, bitte, weil ich sonst aus jedem Club und jedem Pub im ganzen County rausfliege, aber … ich verabscheue Kricket, ehrlich! Ich finde es langweilig … so öde lang, Stunden und Tage … und wozu? Aber auf dem Tennisplatz, da kann man so richtig losschmettern.«
Sie lächelte ihn an. Und sie wußte es, daß sie ihn anlächelte. Er war so ganz anders als der alte Dr. Rice. Dann machte er kehrt und brachte sie zur Tür, blieb da aber stehen und sagte ruhig und fest: »Also, tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Wehren Sie sich gegen ihn. Fürchten Sie sich nicht davor seine Gefühle zu verletzen. Denn seine Gefühle sind nicht normal. Vergessen Sie das nicht und wehren Sie sich … Ich glaube nicht, daß wir uns wiedersehen, weil Dr. Rice in ein, zwei Tagen wieder zurück sein wird. Aber ich bin sicher, er würde Ihnen das sagen, was ich jetzt sage: Gehen Sie aus, gehen Sie in die Disko und …« Er machte eine Pause und lächelte. »Und spielen Sie viel Tennis. Es gibt nichts Besseres, um die Welt mal beiseite zu schieben.«
Dann öffnete er ihr die Tür, und dort stand ihre Mutter und wirkte ausgesprochen ungeduldig.
Peggy blickte von dem Arzt zu ihrer Tochter. Emma lächelte tatsächlich. Seit Wochen zum ersten Mal.
Draußen fragte sie: »Und?«
»Er war nett. Ganz anders als Dr. Rice. Aber er hat mit mir gesprochen wie mit einem kleinen Mädchen. Das gehört wohl zu seiner Ausbildung.«
»Aber was hat er denn gesagt?«
»Daß ich viel Tennis spielen soll.«
»Was?«
»Genau das, ich soll viel
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