Die Frauen von Clare Valley
Klamotten sind cool. Und ein echter Computercrack ist sie auch. Sie ist den anderen Damen um Längen voraus.«
»Und mit ihrem Geschmackssinn könnte sie es manchem Winzer zeigen«, sagte Emily. »Sie ist meine Vorkosterin Nummer eins, wenn ich neue Getränke teste.«
»Ich liebe deine Softdrinks. Und einen guten Geschmackssinn hab ich auch«, stellte Luke fest. »Darf ich deine Nummer zwei werden?«
»Klar«, erwiderte Emily und wurde, falls das überhaupt möglich war, noch röter.
Luke parkte direkt vor dem Laden. Sein Auto war das einzige weit und breit. »Sie ist nicht hier. Sie ist wohl doch auf dem Friedhof.«
Emily war bis zur Ecke gegangen und spähte in die Seitenstraße. Dort stand das Auto. »Ist es das nicht? Das grüne da?«
Das war das Auto, bestätigte Luke. »Pass auf, sie sitzt bestimmt im Hinterzimmer, die Füße auf dem Tisch, und sieht sich auf YouTube alte Musicals an«, sagte er, als sie sich dem Laden näherten. Er versuchte es an der Tür. Sie war verriegelt.
Sie klopften beide. »Lola?«, rief Emily. »Bist du da?«
Sie spähten ins Innere, doch wegen der vielen Dankesbriefe ließ sich kaum etwas erkennen.
Luke klopfte noch einmal. »Lola? Bist du da?«
»Hat Margaret dir nicht die Schlüssel gegeben?«
Nun wurde Luke rot. Er öffnete die Tür und ließ Emily den Vortritt. Sie fächelte sich Luft zu. »Das ist ja die reinste Sauna hier.«
»Im Moment ist es überall wie in der Sauna.«
»Lola?«
Keine Reaktion.
»Sag nicht, wir haben sie verfehlt«, seufzte Emily. »Könnte sie durch die Hintertür verschwunden sein?«
Luke zog den Vorhang, der den Laden von der Computerecke trennte, beiseite. Dort war Lola auch nicht. Dort war gar nichts, außer einem leeren Tisch und einem Stuhl.
»Verdammte Scheiße!«, rief Luke. »Wo ist der Computer?«
Emily war ihm gefolgt und blickte ebenso entsetzt drein wie er. »Hat ihn vielleicht jemand über Weihnachten mitgenommen? Zur Sicherheit?«
Luke schüttelte den Kopf. »Der bleibt immer hier. Auch am Wochenende. Wir haben gedacht, dass er hier sicher ist. Direkt an der Hauptstraße.«
»Ob sich Lola den Rechner geborgt hat?«, überlegte Emily. »Vielleicht ist sie deshalb nicht hier.«
»Sie wüsste gar nicht, wie man die einzelnen Geräte trennt. Aber wo ist sie?« Er rief wieder nach Lola, ging zurück in den Laden, sah hinter die Stangen, die Theke, in die Umkleidekabine. »Sonst scheint nichts zu fehlen. Nur das Equipment.« Er rief erneut. Keine Reaktion.
Emily schaute unter den Tisch, als wäre dort die gesamte Technik zu finden. »Wer bricht denn in einen Wohltätigkeitsladen ein? Noch dazu an Weihnachten?«
Luke rief seine Mutter an. »Mum, wir sind im Laden. Lola ist nicht da, ebenso wenig der Computer, der Drucker, alles weg … Gestohlen. Ja, ich ruf die Polizei an. Nein, die Vordertür war abgeschlossen, keine Einbruchsspuren. Auch die Hintertür ist zu.« Er versuchte, sie zu öffnen. Sie rührte sich nicht. »Ich seh am Tor nach. Da müssen sie wohl reingekommen sein.«
Er bat Emily, das Telefon zu halten, während er mit Margarets Schlüsselbund herumhantierte. Nach drei Fehlversuchen fand er den Schlüssel, der in die Hintertür passte. Er ließ sich drehen, doch das Schloss ging nicht auf. »Da stimmt was nicht.«
»Mit der Hintertür stimmt was nicht«, gab Emily an Patricia weiter. »Warte. Luke versucht, sie aufzutreten.«
Nach drei kräftigen Tritten lockerte sich die Tür. Beim vierten Tritt flog die Tür mit einem Krachen auf und knallte gegen die Wand. Hitze strömte ihnen entgegen. Bei dem Anblick, der sich ihnen beiden bot, glitt Emily das Telefon aus der Hand.
In einer Ecke des kleinen Innenhofs kauerte Lola unter einem silbernen Schal.
Als sie zu ihr eilten, hob sie den Schal an und lächelte kläglich.
»Luke, Emily. Was bin ich glücklich, euch zu sehen.«
Gemeinsam brachten sie Lola zu Lukes Auto. Angeblich ging es ihr gut, sie sei nur überhitzt und durstig. Der Schal, so sagte sie immer wieder, sei ihre Rettung gewesen. Doch sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, das sahen sie beide. Sie sprach zu rasch und auch ein wenig wirr, von Ellen und Fotos und zwei Männern und dem Diebstahl des Computers. Es tue ihr so leid, sie hätte versucht, diese Kerle aufzuhalten, wenn sie nicht zu zweit gewesen wären, also hatte sie sich versteckt, aber nun war ihre Tasche fort, ihr Telefon – und ihre Kamera, so glaubte Lola, hatten sie auch mitgenommen … Plötzlich brach sie ab und sah beide an.
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