Die Frauen von Clare Valley
will. Soll ich versuchen, Lola aufzutreiben?« Das Vorgehen war schnell beschlossen – Luke wollte Lola im Motel anrufen und ihr noch einmal Alex’ Nummer geben. »Sie wird Sie umgehend zurückrufen. Da bin ich sicher.«
»Was geht denn da schon wieder vor?«, fragte Patricia, nachdem Luke aufgelegt hatte. »Wer war das? Was heckst du mit Lola wieder aus?«
»Das kann ich dir leider nicht verraten, tut mir leid, Mum«, erwiderte Luke. »Verschlusssache Lola.« Als Erstes versuchte auch er es auf ihrem Handy. Es klingelte sehr lange, dann ging die Voicemail an. Er hinterließ eine kurze Nachricht. Dann rief er im Motel an. Auch dort ging niemand ran. Nur Jims Nachricht war zu hören: Das Motel war wegen Renovierung geschlossen und allen frohe Weihnachtstage.
»Das ist komisch«, sagte Luke. »Wo steckt sie bloß?«
»Vielleicht schläft sie tief und fest. Oder geht spazieren. Du kennst doch Lola. Sie wollte allein sein und tun und lassen, was sie will.«
»Aber sie würde wissen wollen, dass er angerufen hat. Das weiß ich.«
» Wer denn?«, fragte Patricia erneut.
»Tut mir leid, das kann ich dir wirklich nicht sagen. Ist Lolas Geschichte, nicht meine. Mum, hast du was dagegen, wenn ich kurz zum Motel fahre, nur um zu sehen, ob da alles in Ordnung ist, und ihr Bescheid zu sagen?«
»Natürlich nicht.« Sie stand auf. »Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich gern mitkommen. Mir behagt der Gedanke, dass sie an Weihnachten allein ist, sowieso nicht.«
Sie klopften an Lolas Tür. Und zur Sicherheit auch an die Nachbartür. Nichts. Sie spähten durch die Fenster. Nichts. Sie klopften an alle übrigen Zimmer. Keine Antwort. Sie schauten durch die Fenster in den Speisesaal, die Küche, in die Wohnung von Jim und Geraldine. Nichts und niemand.
»Was, wenn …«, begann Luke den Satz, den sie beide im Stillen dachten. Was, wenn ihr etwas zugestoßen war? Sie bewusstlos in ihrem Zimmer lag? Was, wenn sie deshalb auf keine Anrufe und kein Klopfen reagierte?
»Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich habe heute Morgen noch mit ihr gesprochen, da ging es ihr gut. Wo also könnte sie sein?«
Luke rief bei Emily an. Patricia rief Margaret, Kay und Joan an. Seit dem Morgen, als sich alle frohe Weihnachten gewünscht hatten, hatte niemand mehr mit Lola gesprochen.
»Sie muss in ihrem Zimmer sein. Vielleicht schläft sie oder badet«, meinte Margaret. »Wo sollte sie denn sonst sein?«
»Ruf doch mal die Taxizentrale an. Und frag nach, ob sie sich irgendwo hinfahren lassen hat«, schlug Kay vor. »Vielleicht ist sie zu Anna gefahren.« Es war allgemein bekannt, dass Lola regelmäßig zu Annas Grab auf dem Friedhof von Sevenhill fuhr.
Luke rief bei der Taxizentrale an. Nein, zu Lola hatten sie keinen Wagen geschickt.
Luke und seine Mutter standen noch vor Lolas Zimmer und überlegten, wie sich die Tür aufbrechen ließe, als zwei weitere Autos eintrafen. Im ersten saßen Margaret, Joan und Kay. Im zweiten war Emily.
»Aber ihr hättet doch nicht kommen müssen«, sagte Patricia. »Es ist bestimmt alles in Ordnung.«
»Sicher doch«, sagte Margaret und rang sich eine fröhliche Miene ab. »Ich wollte ihr nur noch mal frohe Weihnachten wünschen.«
Emily fiel schließlich auf, dass Jims Auto fehlte.
»Er ist doch mit Geraldine in Urlaub gefahren«, sagte Kay.
»Aber mit Geraldines Wagen«, warf Emily ein. »Ich hab ihnen vorgestern nachgewunken. Fährt Lola noch selbst?«
»Wenn ihr danach ist«, sagte Margaret. »Doch wohin?«
Sie beschlossen, sich aufzuteilen. Kay, Patricia und Margaret wollten zum Friedhof fahren. Luke und Emily zum Laden. Das war die einzige andere Möglichkeit, die ihnen allen in den Sinn kam. Margaret gab Luke die Schlüssel. »Und ruft sofort an, falls sie da ist.«
Luke stieg mit Emily in seinen alten Corolla.
»Da ist doch alles in Ordnung, oder?«, sagte Emily.
»Natürlich. Mum hat vermutlich recht, wir übertreiben.«
Nach einem längeren Schweigen meinte Emily: »Lola ist toll, oder?«
»Sie ist einzigartig«, entgegnete Luke. »Die coolste alte Lady, die ich kenne.«
»Finde ich auch«, stimme Emily zu.
»Nur bei ihrem Kleidungsstil bin ich mir nicht sicher«, sagte Luke.
»Ich liebe ihren Kleidungsstil!«, empörte sich Emily und drehte sich zu Luke. »Lola ohne Kleider, das wäre, na ja, natürlich nicht völlig ohne Kleider, aber nicht Lola, wenn du weißt, was ich meine.« Emily war hochrot angelaufen.
Luke lachte. »Ich zieh dich doch bloß auf. Ihre
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