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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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glücklich und zufrieden? Und dennoch …
    Trotz vorgeschriebener Geschwindigkeit erreichte Bett die Main Street eine Viertelstunde vor ihrem Termin. Sie suchte sich einen Parkplatz und blieb eine Weile im Auto sitzen, um sich zu sammeln.
    Den Termin hatte sie schon vor einer Woche abgesprochen. Mit der Chefredakteurin der Valley Times , der lokalen Tageszeitung, für die sie über vier Jahre gearbeitet hatte, bis sie vor acht Monaten in Mutterschutz gegangen war. Der eigentlich noch fünf Monate andauerte. Uneigentlich aber machte sie sich Sorgen um ihre geistige Gesundheit. Große Sorgen.
    Daniel hatte sie davon noch nichts gesagt. Wann auch? Sie hatten doch nie Gelegenheit, über etwas anderes als die Zwillinge zu sprechen. Nein, sie bereute ihre Entscheidung, Kinder zu bekommen, nicht. Nicht einen Augenblick. Sie hatten seit den ersten Tagen ihrer Ehe davon gesprochen, eine Familie zu gründen, und Bett war überglücklich gewesen, als sie endlich schwanger wurde. Es war keine leichte Schwangerschaft gewesen, sie hatte entsetzlich unter Morgenübelkeit gelitten, gepaart mit Tagesmüdigkeit. Doch als sie erfahren hatte, dass sie Zwillinge bekam! Es war wie ein Geschenk des Himmels.
    Und das war es auch. Wirklich . Sie liebte ihre Babys über alles, mit einer Macht, die sie selbst erstaunte. Sie hatte alles für ihre Kinder getan. Sie gestillt, obwohl es schmerzte und seltsam war. Wenn nötig, war sie die ganze Nacht lang wach geblieben. Eine gefühlte Ewigkeit hatte sie nur hier und da ein Stündchen mal geschlafen. In der ersten Zeit hatte sie sich weder gekämmt, noch war sie je aus ihrem Schlafanzug herausgekommen. Bei den beiden zu sein, Daniel mit den Kindern zu sehen, zu denken, wir sind eine Familie , hatte jedes Opfer aufgewogen. Es waren magische, erstaunliche, besondere Momente. Kostbare Momente.
    Anfangs hatte sie es sehr genossen, zu Hause zu sein, als Vollzeit-Mutter, fern von Büroquerelen und Deadlines, in einer Welt zu leben, die sich auf die alltägliche, allstündliche Versorgung zweier Babys beschränkte, die sie vergötterte. Diese Euphorie hatte drei Monate lang ungebrochen angehalten, auch wenn Bett gelegentlich von einer bislang unbekannten Erschöpfung überfallen worden war. Dann aber, es war noch gar nicht lange her, hatte sich etwas verändert. Wenn sie ihren Sohn und ihre Tochter ansah, war da immer noch überwältigende Liebe, doch unterschwellig meldete sich eine neue, andere, ebenso starke Empfindung. Eine Art Klaustrophobie. Es war, als ob sich die Wände auf sie zubewegen würden. Das war mehr als beunruhigend. Das war beängstigend.
    Auch ihre Empfindungen Daniel gegenüber hatten eine Wandlung durchgemacht. Wenn sie ihn ansah, dann war da etwas anderes als das warme Gefühl von Liebe. Da war Eifersucht. Doch wieso? Sie liebte ihren Mann. Seine Gelassenheit. Seinen Humor. Seinen schlaksigen Körper, seine sanften Augen, sein dunkles, wirres Haar. Wie fassungslos er jedes Mal dreinblickte, wenn er seinen Sohn oder seine Tochter in den Armen hielt! Wie glücklich er war.
    Und genau das war es. Sie war eifersüchtig, weil er glücklich war. Du hast gut lachen, hetzte die Stimme in ihrem Kopf. Und Daniel hatte auch gut lachen. So zufrieden hatte sie ihn noch nie erlebt. Er war glücklich mit seinem neuen Job als Bildredakteur und Produktionsleiter einer kleinen Tageszeitung im ländlichen Gawler, eine knappe Stunde entfernt. Jeden Morgen fuhr er beschwingt davon und machte aus seiner Freude über die Zeit allein im Auto, mit Musik, Nachrichten oder Stille, gar kein Hehl. Sie hingegen blieb daheim und wurde unter Windeln, Schmutzwäsche, dreckigem Geschirr, Sterilisierern, Schnullern, Lärm und Chaos begraben. Sie schlief schlecht. Sie aß das Falsche und zu viel, nahm zu statt ab. Das wird wieder besser, oder?, war ihre ständige bange Frage. Wenn die Babys aus dem Gröbsten raus sind? Nicht mehr so hilflos? So abhängig waren?
    Aber was, wenn nicht? Wenn die Babys sie nur noch mehr brauchten, je älter, größer und hungriger sie wurden? Was, wenn ihr Leben nun so weiterlief? Wenn Mutter zu sein in Wahrheit hieß, dass man langsam unterging, sich verlor, jegliche Unabhängigkeit einbüßte und sein altes, freies, glückliches Selbst abstreifte wie eine Schlange ihre alte Haut?
    Nächtelang hatte sie darüber nachgedacht. In solchen Momenten sah sie ihr Leben auf einem Split Screen – so, wie es sein sollte, und so, wie es war. Auf der »So-wie-es-sein-sollte«-Seite lächelte ihr

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