Die Frauen von Clare Valley
eine glückliche Bett entgegen, liebende Ehefrau, Mutter zweier hinreißender Babys, die dankbar für all das Gute in ihrem Leben, die organisiert war, gesunde Mahlzeiten kochte, jeden Tag Sport machte und, o ja, regelmäßigen, fantastischen Sex hatte. Auf der »So-wie-es-war«-Seite … Na, dafür brauchte sie keine Fantasie. Chaos, Erschöpfung und Sex so viel wie Sport. Null.
Vor einer Woche hatte sie mitten in der Nacht eine Eingebung gehabt. Sie musste wieder arbeiten! Dann würde alles gut. In Teilzeit, nur ein paar Tage in der Woche. Nur einen Tag. Nur ein paar Stunden. Genug, um sich ein Stück von ihrem alten Leben zurückzuerobern, um gegen dieses Ausgeliefertsein zu kämpfen. Nur mit Daniel hatte sie noch nicht gesprochen. In ihren Tagträumen war er sofort einverstanden. Fand alles großartig. Warum bin ich nicht selbst auf die Idee gekommen, sagte er. Natürlich ginge auch er auf Teilzeit, dann konnten sie sich abwechselnd um die Babys kümmern. Das ist die perfekte Lösung, sagte er.
Bett hatte sich nicht nur Daniels Reaktion ausgemalt.
»Carrie, es ist fantastisch«, sagte Bett im Geiste zu ihrer Schwester. »Jetzt habe ich die perfekte Work-Life-Balance. So hab ich mir das immer vorgestellt. Wenn ich mich um die Zwillinge kümmere, bin ich hundert Prozent bei ihnen, und durch meine Arbeit erhalte ich Abstand und das nötige Maß an Unabhängigkeit. Ich habe das Beste aus beiden Welten.« Dass Bett normalerweise nicht mit derartigen Klischees und Phrasen um sich warf? Egal. Und dann würde sie Carrie die entscheidende Frage stellen: »Und du, bist du glücklich, als Nur-Hausfrau und Mutter? Großartig! Wie schön für dich! Wenn es dich ausfüllt, großartig, wirklich. Hauptsache, wir Frauen haben die Wahl.«
Carries Erwiderung nahm in Betts Vorstellung viele Formen an. Die weinerliche: »Oh, ich bin so neidisch, Bett. Wie hast du das geschafft, das so gut in den Griff zu bekommen?« Die wütende: »Nicht jede Frau hat einen Ehemann wie Daniel, der einen so sehr unterstützt, Bett. Das musst du mir ja nicht ständig unter die Nase reiben.« Einmal war Carrie sogar davongestürmt, woraufhin Bett ihren imaginären Zuschauern erklärt hatte: »Sie müssen das entschuldigen, sie kämpft ein wenig mit der Mutterrolle.«
Bett seufzte aus tiefstem Herzen. Sie hasste solche Gedanken. Was war bloß aus ihr geworden? Dieses müde, bittere Geschöpf, das ständig auf die Schwester schielte, gefiel ihr nicht. Sie hatte gehofft, Carrie durch die räumliche Nähe auch menschlich wieder näherzukommen, vor allem, wenn sie zur gleichen Zeit Kinder bekamen. Aber damit hatte sie nur einen neuen Wettkampf eröffnet. Einen Wettkampf nach Punkten.
Was war daran so überraschend? Ihr Verhältnis war immer so gewesen – schon als Kind war Carrie die Selbstbewusste, Bett die Ängstliche gewesen, Carrie die Meinungsstarke, Bett die Unsichere. Die Spannungen hatten sich mit den Jahren aufgebaut, bis es dann vor sieben Jahren zum Knall gekommen war – Matthew, damals mit Bett verlobt, hatte sich auf den ersten Blick in Carrie verliebt, die Verlobung gelöst und einen mehrjährigen Streit zwischen den drei Schwestern entfacht. Aus heutiger Sicht erschien das albern. Sie hatte sich mit Matthew etwas vorgemacht. Wirklich geliebt hatte sie ihn nie. Daniel, ja, das war die große Liebe. Doch damals war die Welt untergegangen, sie hatte sich verraten und verkauft gefühlt, und dann hatten sich auch noch beide Schwestern gegen sie gestellt. Drei Jahre lang hatten sie nicht miteinander gesprochen. Drei lange Jahre. Wenn Lola sie nicht dazu gebracht hätte, aufeinander zuzugehen, ihnen so die kostbare Zeit vor Annas Krankheit verschafft hätte …
Aber hatten sie und Carrie aus Annas Tod gelernt? Hatten sie sich nicht in den Tagen, Wochen und Monaten danach versprochen, dass sie nichts mehr entzweien würde, sie jeden Tag wertschätzen, sich ständig daran erinnern wollten, wie brüchig das Leben, wie wichtig die Familie war?
All das war nur noch ferne Erinnerung. Am meisten aber peinigte Bett, dass sie die Verliererin war. Die Schlechte Mutter und Carrie die Perfekte Mutter. Wenn Carrie wenigstens hin und wieder anrufen und zugeben würde, dass sie nicht mehr konnte, ihre drei Kinder sie wahnsinnig machten, sie müde war und mit Matthew seit Wochen nur noch über Fläschchen und Windeln sprach und Zärtlichkeiten ein Fremdwort waren, von allem anderen ganz zu schweigen. Nicht so Carrie. Bett hörte immer nur, wie perfekt ihr
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