Die Frauen von der Beacon Street
Irgendwo bei der Eingangstür war ein Tumult ausgebrochen, Füße trappelten, Schreie. Harlan hob neugierig die Augenbrauen, ohne seine lässige Haltung zu verändern. Die anderen drei Männer ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern saßen aufmerksam über ihr Spiel gebeugt.
Ein junger Mann mit pomadisiertem Haar, den Harlan flüchtig kannte – wie hieß er doch gleich? Peter? –, kam ins Kartenzimmer gestürmt. Atemlos schwenkte er eine Zeitung. Sein Gesicht war rot.
» Sie haben es tatsächlich getan! « , rief er und kam zu ihrem Vierertisch gelaufen. Hier knallte er die Zeitung auf den Tisch, ohne auf die Proteste der gestörten Spieler zu achten. » Was für eine bodenlose Gemeinheit! Ich kann es einfach nicht glauben, das sage ich euch. Ich kann es einfach nicht glauben. «
Mehr Schreie und aufgeregte Wortfetzen surrten durch den Club, und durch das Fenster, das auf die Straße hinausging, sah Harlan einen Mann und zwei Frauen, die ebenfalls eine Zeitung umringten, die Köpfe zusammensteckten und aufgeregt schnatterten.
» Was ist denn los? « , fragte Harlan und warf einen Blick auf die Schlagzeile, die die gesamte erste Seite der Zeitung einnahm. Die anderen drei Kartenspieler taten es ihm nach, rempelten sich an den Schultern, und eine Hand voller Herzkarten – schau dir all die Trümpfe an, dachte Harlan wehmütig – flatterte vergessen zu Boden, wie Blätter von einem Baum.
TROTZ DROHENDER GEFAHR IN SEE GESTOCHEN , schrie die Schlagzeile hinaus.
» Sie haben die Lusitania torpediert! Torpediert! Das Ding war innerhalb einer halben Stunde gesunken, verdammt noch mal! «
» Was? « , fragte Harlan verwirrt, während am Kartentisch alle wild durcheinanderredeten.
» Kaum zu glauben, dass das das gleiche Volk ist, das uns Goethe und Schiller geschenkt hat « , bemerkte Townsend ungerührt wie immer. » Schätze, jetzt haben wir’s endlich kapiert. « Was genau man denn nun kapiert hatte, darauf ging er nicht ein, weil die anderen am Tisch weiterhin vor sich hin zeterten und unter großem Rascheln die Zeitung nach mehr Einzelheiten durchblätterten.
» Torpediert! « , rief Bickering und knackte aufgeregt mit den Fingerknöcheln. » Aber das war ein Ozeandampfer! Ein ziviles Kreuzfahrtschiff! Was denken sich eigentlich diese verdammten Deutschen? «
» Hier steht, bevor das Schiff letzte Woche in See stach, habe die deutsche Botschaft eine Warnung abgegeben. Um jeden daran zu erinnern, dass zwischen Deutschland und seinen Verbündeten und England und seinen Verbündeten Krieg herrscht, und dass die Gewässer rund um die Nordsee von U-Booten patrouilliert werden. Damit haben sie praktisch angekündigt, das Schiff zu bombardieren. «
» Aber es ist ein Ozeandampfer! « , wiederholte Bickering aufgebracht. » Wozu sollten die denn einen Haufen Touristen bombardieren? Wie in Gottes Namen kann man etwas Derartiges rechtfertigen? «
» Hier steht « , fuhr Peter fort, » dass einige der prominenteren Leute, die eine Passage gebucht hatten, noch am Pier Telegramme bekommen haben, in denen sie gewarnt wurden, nicht an Bord zu gehen, mit fiktiven deutschen Namen unterzeichnet. Alfred Vanderbilt hat seines anscheinend zerknüllt und weggeworfen. «
» Das würde wohl jeder tun, der ein Mann ist « , meinte einer der Jungs.
» Aber warum haben denn die Leute von Cunard das Schiff fahren lassen, wenn die Botschaft in der Woche vorher diese Warnung ausgegeben hatte? Mir scheint, da muss man doch auf der Hut sein, wenn die deutsche Botschaft einem mitteilt, sie hätten U-Boote, deren Torpedos für dich bestimmt sind. «
» Hier steht « , fuhr Peter fort, » jeder habe geglaubt, ein Ozeandampfer sei sicher und könne leicht fünfundzwanzig Knoten machen. Die waren felsenfest davon überzeugt, dass der Dampfer bei einem Angriff einfach schneller sein würde. Aber niemand hat damit gerechnet, dass die Deutschen es wahr machen würden. «
» Wie konnten sie nur? « Bickering bohrte die Fingerspitzen in die Tischplatte.
Harlan fiel auf, dass er ihn noch nie so aufgeregt erlebt hatte. Sein Bridgepartner hatte sich nie besonders für Politik interessiert, ihm war im Grunde alles gleichgültig. Mädchen behandelte er allesamt mit der gleichen großmütigen Gleichgültigkeit, und mit demselben Maß an distanzierter Amüsiertheit verlor er Geld und gewann es wieder, als wären alle Aspekte seines Lebens Teil eines einzigen großen Witzes. Jetzt jedoch war das Gesicht des jungen Mannes flammend rot. »
Weitere Kostenlose Bücher