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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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noch im Mund. Ja, verängstigt sahen die Augen aus – auf den ersten Blick zumindest. Erst als Sibyl genauer hinschaute, erkannte sie, dass die beiden grünen Tümpel unter den finster zusammengezogenen Brauen diese Verängstigung nur spielten, statt ein Gefühl zu vermitteln, das die junge Frau wirklich empfand.
    » Er ist … « , begann Sibyl, doch die andere fiel ihr ins Wort.
    » Er wird doch wieder gesund, oder? « , rief sie. Jetzt hatte sie die verbrannten Finger aus dem Mund genommen, und beide Hände machten sich an der Tunika zu schaffen, kneteten den Stoff zu einem Knäuel in ihrem Schoß.
    » Das werden wir abwarten müssen « , sagte Sibyl. » Er bekommt die allerbeste Pflege, und sie bemühen sich, dass es ihm einigermaßen gut geht. Aber es besteht große Ansteckungsgefahr. Eine seiner Rippen ist angebrochen. «
    Das Mädchen unterdrückte ein Schluchzen, drückte die Fingerknöchel in einer Geste der Verzweiflung gegen das Kinn, und ihre Augen hoben sich in einem spitzen Bogen über der Nase. Auch diese Geste kam Sibyl wie eingeübt vor, mehr das gespielte Elend des gebeutelten jungen Mädchens aus dem Filmtheater als wirklich empfundener Kummer. Dennoch streckte sie behutsam eine Hand aus und legte sie tröstend dem Mädchen aufs Knie.
    » Gebrochen! « , rief die junge Frau entsetzt aus. Sie kramte in den Falten ihres Kleides, zog ein Taschentuch heraus und betupfte sich die Augen.
    Sibyl hatte aus so großer Nähe noch nie eine Frau gesehen, die derart dick geschminkt war. Eulah, das wusste sie, hatte sich zu bestimmten Gelegenheiten die Augen umrandet und Lippenstift benutzt, ja, sie hatte sogar versucht, sich mittels einer auf Blei basierenden Tinktur aus einer Anzeige in einer ihrer Modezeitschriften die Haut zu bleichen. Das alles hatte sie mit Helens stillschweigendem Einverständnis getan. Dieses Mädchen hier jedoch hatte sich die Augen so dunkel geschminkt, dass es fast so aussah, als wäre es selbst verprügelt worden. Die Tränen wuschen einiges von dem Lidstrich ab und bildeten jämmerliche Streifen auf ihren Wangen. Sibyl streckte eine Hand nach der Wange des Mädchens aus, um etwas von der schwarzen Farbe mit dem Daumen abzuwischen.
    Während sie das tat, murmelte sie: » Bestimmt wird alles wieder gut. Aber vielleicht … «
    Das Mädchen schlug die Augen nieder, zog die Unterlippe zwischen die Zähne und schaute dann wieder hoch, um Sibyls geduldigem Blick zu begegnen.
    » Was denn? « , fragte das Mädchen schnippisch.
    Sibyl fuhr bei ihrem Ton leicht zusammen, ging jedoch mit einem ungerührten Lächeln über ihren Schreck hinweg.
    » Ihr Name « , sagte sie sanft.
    Das Mädchen machte eine unwirsche Geste.
    » Ich möchte gerne wissen, wie er lautet. «
    Das Mädchen warf Sibyl einen finsteren Blick zu, als würde es überlegen, welche Absichten Sibyl mit ihrer Frage verfolgte. Kurz schoss es Sibyl durch den Kopf, dass das Mädchen vielleicht lügen würde. Und warum auch nicht? Es hatte wenig Grund, die Wahrheit zu sagen.
    » Dovie. Ich heiße Dovie « , sagte sie trotzig, als wollte sie Sibyl auf die Probe stellen.
    » Dovie « , wiederholte Sibyl lächelnd. Lächerlich. Das musste ihr Bühnenname sein, oder wie man das bei dieser Art Frauen nannte. Aber ein schnelles Urteil zu fällen, würde auch nicht weiterhelfen. Überhaupt war Sibyl überrascht, wie viel sie aus dem Mädchen herausbekommen hatte. Dabei war es sogar ein Wunder, dass es überhaupt noch in dem Wartezimmer war. » Und wie ist Ihr Nachname, Dovie? «
    » Whistler « , antwortete das Mädchen und fügte dann hinzu: » Ich hab mir das nicht ausgedacht. «
    » Natürlich nicht « , stimmte Sibyl ihr zu. Vielleicht war es ja wirklich nicht gelogen. Wenn sie den Namen nicht selbst erfunden hatte, mochte das jemand anders getan haben.
    Sibyl nutzte den Moment, um sich Harlans Geliebte etwas genauer anzuschauen. Ihre Kleidung war modisch, die Rocksäume ordentlich genäht. Am auffallendsten war jedoch ihr Haar. Statt des würdevollen Knotens, der Sibyls Kopf krönte, waren Dovies krause Wellen kurz geschnitten. Das Haar in ihrem Nacken war weich und fedrig wie bei einem kleinen Jungen und zu einer schmalen Spitze getrimmt. Sibyl beobachtete den Schwung ihres Nackens, während das Mädchen sich nach vorn beugte und sich das Taschentuch an die Augen presste, aus denen frische Tränen kullerten, und staunte darüber, dass das kurze Haar die junge Frau irgendwie noch weiblicher wirken ließ als eine Frisur mit langem

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