Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)
hat eine Art Ende. Darüber sollte man aber besser schweigen!« Sie verstummte etwas verlegen, fuhr dann jedoch fort: »Es reicht, wenn du weißt, dass am Ende nichts als Eros sein wird. Was dazwischen war, geschah nicht in ganz logischer Folge. Hermes, der eine großartige Plaudertasche ist und mich manchmal besucht, hat gesagt, dass viele Götter die Geschichte ihres eigenen Ursprungs selbst nicht genau kennen. Das sind nur Götter, ohne Erinnerung … großartig zwar, aber ein bisschen schwachsinnig. Früher waren auch die Götter anders! Was für Kämpfe es zwischen ihnen gab! Am Anfang der Zeiten, als noch keine Zeit existierte! – Ewigkeit ist das Wort, das eure geschwätzigen Weisen und bärtigen Priester in Ithaka und auf den Inseln dafür benutzen!«, sagte sie bitter. »Ihr denkt nicht daran, dass etwas, was man in den Rahmen eines Begriffes spannen kann, nicht mehr ewig ist, weil es ja Grenzen hat! Mit deinem Vater konnte man sich großartig über all das unterhalten. Hier saß er, mir gegenüber, wie du jetzt, ab und an hob er den Kelch an seinen göttlichen Mund, wie du gerade eben, und sah mich lächelnd von der Seite her mit glänzenden Augen an, wenn ich von den Kämpfen der Götter sprach … ja, wie du jetzt! Die Welt ist nicht in Rosenwasser geboren, mein Sohn … Weder die Menschen- noch die Götterwelt ist in Rosenwasser geboren. Immer gab es Blut und Samen und Kampf. Eros lässt ohne Blut kein Leben entstehen. Die Urahnen der Menschen, mein hehrer Vater dort im Kaukasus, wo er sich mit erhabener, wenn auch etwas langweiliger himmlischer Trägerarbeit beschäftigt, dann Prometheus und Menotios, auf den das ›Schicksal wartet‹, wie schon sein Name verrät: Alle haben mit Blut für die Geheimnisse des Lebens bezahlt! Was für Kämpfe gab es hier am Anfang!« Die Nymphe hatte sich in leidenschaftliche Erregung geredet. »Ich will jetzt nicht von den vergänglichen Aufständen sprechen, als Typhaon, der Dämon der Feuerspucker, und Polybotes, der Dämon des Erdbebens, gegen die Himmlischen revoltiert haben! Das waren Zwischenspiele, die der hehre Zeus mit Polizeimaßnahmen in den Griff bekommen hat. Aber am Anfang, als alles brodelte und wirbelte, als jeder eine Rolle und einen Rang wollte, als die drei Elemente, das Wasser, das Feuer und die Luft, sich noch nicht zum Gleichgewicht vermischt hatten … Mit was für einem Donnergetöse wurde da die Welt geboren! Ich erinnere mich an die Revolutionen«, sagte sie geheimnisvoll, »als es für kurze Zeit schien, als würde der Weltenraum vom Chaos regiert werden! Als die Titanen, diese wütenden Vorgötter, und dann die Giganten, diese wilden Vormenschen, sich zusammenschlossen, um sich die Welt unter den Nagel zu reißen! Alles, was vor Trojas Mauern geschehen ist, wird winzig neben dem Aufstand der sieben Titanen! Wilde Kerle waren das! Sie wohnten am Rand der Erde und durften nicht zum Olymp hinauf. Sie glaubten, weil sie aus dem Blut des auf der Insel der Phaiaken entmannten Uranos stammen, hätten sie schon ein Recht auf die Weltherrschaft! Sie haben von Dionysos’ Leib gegessen … Es war schrecklich!« Schaudernd hielt sich die Nymphe eine Hand über die Augen.
»Aber der erhabene Zeus hat immer aufgepasst«, sagte ich taktvoll. Ich wollte sie beruhigen, denn ich sah, dass die Erinnerungen sie zu sehr aufregten.
Die Nymphe nahm die Hand von den Augen:
»Fünfte Generation«, sagte sie etwas verächtlich und winkte ab. Ruhiger fuhr sie fort: »Zeus und Hera sind erst die fünfte Generation. Ja, mit ihrer Ehe, zu deren Ehre Gaia im Okeanos den Garten der Hesperiden errichtete, aus dem wir die Äpfel bekommen … mit ihrer Ehe begann das Weltenschicksal. Die Reihenfolge ist geheimnisvoller. Nachdem das Ei zerbrochen war, folgten rasch aufeinander die Generationen aus der Vereinigung von Himmel und Erde. Okeanos und Thetis, die Nährerin, lebten in einer ziemlich guten Ehe, und Thetis gebar meinem hehren Ahnen der Reihe nach die Söhne Phorkys und Kronos, dann Rheia und die anderen Titanen. Schade, dass Kronos seine Kinder später auffraß … Diese Gefräßigkeit war eine schlechte Sitte in all diesen alten Familien. Aber die Weltrollen verteilte Eros erst später unter den Geschöpfen. Auf die erste Generation – die Familie von Uranos und Gaia – folgten schnell die nächsten, und als Zeus seine Schwester zur Frau nahm und endlich das Schicksal der Welt beginnen konnte, übernahm er die Schirmherrschaft für das Feuer, Hera die für die
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