Die Frauen von Nell Gwynnes
blickte über die Schulter, um sicherzugehen, dass sie das Dorf verlassen hatten, und legte den Arm um Maudes Hüfte.
„Die ersten! Wir dachten, er sei ein rechter Rammler, nicht wahr, Mädels? Apropos, wie heisst du eigentlich?“
„Ralph, Miss – ich meine – meine Liebe.“
„Nun, Ralph, du bist ein attraktiver Bursche, und ich bin sicher, wir werden dufte miteinander auskommen.“ Maude lehnte sich in seinen Arm. „Also, ich hoffe, seine Lordschaft ist kein Kostverächter? Wäre ein wenig seltsam, uns herzubestellen, wenn es so wäre.“
Ralph lachte laut: „Nicht, dass ich wüsste. Er ist kein Rammler, aber er hat in Cambridge ein Mädchen geschwängert. Hat sie hierher geschickt, um es auszutragen, aber das kleine Ding starb irgendwie.“
„Das Mädchen?“
„Nein! Das Baby. Etwas stimmte nicht. Seitdem ist seine Lordschaft wohl behutsamer geworden.“
„Was will er dann mit uns?“ Maude streckte die Hand aus, strich über Ralphs Wange und liess ihren Finger sanft in Richtung seines Kragens gleiten. „Ein grosser, starker Mann wie du – ich bin sicher, du weisst, was du mit einer Frau machen musst. Seine Lordschaft steht nicht etwa auf bizarre Spielchen, oder?“
„Ich schätze, ihr seid für seine Feier“, sagte Ralph und erschauderte. „Für die Gäste.“
„Oooh! Wir lieben Feiern, Mädels, nicht wahr?“ Maude sah über die Schulter. Als sie nach hinten blickte, griff Ralph nach ihrem Kinn und gab ihr einen heftigen Kuss von einiger Dauer, bis Jane ihn relativ scharf ermahnen musste, auf die Pferde zu achten.
„Alles in Ordnung“, japste Maude, nachdem sie wieder Luft bekommen hatte. „Mädels, unser Freund Ralph gefällt mir so gut – habt ihr etwas dagegen, wenn wir kurz anhalten?“
„Wie du magst“, sagte Mrs. Corvey. Die Kutsche befand sich gerade auf einer langen, abgeschiedenen Strasse. Ralph lenkte sie auf die Seite, packte Maudes Hand und sprang vom Bock. Sie verschwanden im Unterholz. Lady Beatrice sah Mrs. Corvey an und hob fragend eine Braue. Diese zuckte die Achseln. „Man weiss nie, wann man Freunde und Verbündete brauchen kann.“
„Ist das Basmond Hall?“ Dora stand auf und blickte die Strasse entlang auf ein massiges graues Gemäuer, das man gerade eben hinter einer niedrigen Erhebung und Rhododendronsträuchern erahnen konnte. Mrs. Corvey warf einen Blick auf das Buschwerk neben der Droschke, nahm die Augengläser ab und fuhr die Teleskopoptik aus, um das Bauwerk genauer in Augenschein zu nehmen.
„Das muss es sein“, sagte sie und setzte die Brille wieder auf. „Geschichtsträchtiger Ort. Geht zurück auf die Normannen und all das.“
„Also eine alte Familie“, sagte Lady Beatrice.
„Seine Lordschaft ist der letzte Nachkomme“, ergänzte Mrs. Corvey. „Spannend, oder? Ich frage mich, was für ein Mensch er ist.“
Nach einiger Zeit tauchten Maude und Ralph ausser Atem wieder aus dem Buschwerk auf. Ralph hob Maude flott und eindeutig höflicher als zuvor auf den Bock und sprang mit glänzenden Augen neben sie.
„Nette Nagelprobe gehabt?“, fragte Mrs. Corvey. Ralph senkte betreten den Kopf, doch Maude tätschelte ihm beschützend den Arm.
„Ralph ist ein bumsfideler grosser Junge. Aber wir werden seiner Lordschaft nichts von unserem kleinen Zusammenstoss erzählen, nicht? Wollen den süssen Ralph ja nicht seine Arbeitsstelle kosten.“
„Nein, Ma’am“, sagte Ralph. „Sehr nett.“
Sie fuhren weiter die Auffahrt entlang und musterten Basmond Hall in seiner düsteren Pracht. Lord Basmonds Angabe, das geliehene Geld für Baumassnahmen zu benötigen, war plausibel, denn die Hall war eine uralte Turmhügelburg mit einem Vorhof voller Kies und halb unter einer dicken Efeuschicht begraben. Kein Tudor-Rawdon hatte es mit Fachwerk und Fenstern verschönert, kein georgianischer Rawdon hatte palladianisch-römische Grazie oder Statuen hinzugefügt. Zudem gab es keinerlei Hinweise darauf, dass der jetzige Rawdon die Absicht hatte, das Bauwerk ehrenwert in die Neugotik zu überführen. Es war offensichtlich, dass er noch kein Pfund in Renovierungsarbeiten investiert hatte.
Ralph lenkte die Droschke über den Hügel und den bröckeligen Damm, der die Zugbrücke ersetzte, und schliesslich unter dem Fallgatter hindurch in den Hof.
„Wie mittelalterlich“, bemerkte Dora.
„Nicht einfach zu verlassen, falls es sein müsste“, flüsterte Miss Corvey. „Obacht, meine Damen!“
Lady Beatrice nickte. Das Ganze glich einer Illustration aus
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