Die Frauen von Savannah
CeeCee,
ich finde, Du sollst die Perlen Deiner Mutter haben.
Wenn ich mich recht erinnere, hat sie sie von ihrer Mutter bekommen, als sie ihren Highschool-Abschluss machte.
Alles Liebe,
Dad
Ich legte die Nachricht beiseite und betrachtete die Kette meiner Mutter. Dann rieb ich sanft eine Perle zwischen Daumen und Zeigefinger und glitt in der Zeit zurück.
Mir fiel ein Tag ein, an dem Momma und ich in ihrem Zimmer waren und Verkleiden spielten. Sie tupfte mir Rouge auf die Wangen, zog mir ihren rosa Lieblingspullover über den Kopf und holte die Perlenkette aus ihrem Etui.
»Nichts bringt das Gesicht einer Frau so zum Leuchten wie Perlen«, sagte sie und legte sie mir um den Hals. »Wenn du leuchten willst, als hättest du ein Licht in dir drin, CeeCee, dann musst du Perlen und einen rosa Pullover tragen.« Sie hob mich auf ihren Frisiertisch und lächelte. »Guck mal, wie hübsch du aussiehst!«
Ich grinste mein Spiegelbild an.
Sie legte die Arme um mich. »Weißt du, wie Perlen entstehen?«
»Nein, Momma.«
»Also, dann erzähle ich dir eine Geschichte. Eines Tages saß eine Auster auf dem Meeresgrund, war glücklich und tat, was Austern eben so tun. Als es Zeit für ihr Mittagsschläfchen war, gähnte die Auster, und ein kleines Sandkorn schwamm ihr in den Mund. Dieses Sandkorn ging der Auster ganz schön auf die Nerven, aber sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte es nicht ausspucken. Sechs lange Jahre vergingen, und die Auster rollte die ganze Zeit dieses Sandkorn in ihrem Mund herum. Das Sandkorn wurde immer größer, und dann spürte die Auster eines Tages einen großen Knubbel unter der Zunge. Na ja, und da nahm sie alle Kraft zusammen, machte den Mund auf und spuckte das Sandkorn wieder aus. Aber es war kein Sandkorn mehr. Es war eine wunderschöne Perle.«
Erstaunt sah ich zu ihr auf. »Wirklich?«
Sie setzte sich aufs Bett und nickte. »Austern sind wie Frauen. Wenn wir Verletzungen überstehen, machen sie uns stärker und schöner.« Einen Augenblick lang schwieg sie und sah aus dem Fenster. »Es heißt, es gibt keine wirklich perfekte Perle. Nichts Natürliches kann je ganz perfekt sein.«
Dann drehte sie sich zu mir und sah plötzlich ganz wild aus. »Aber das stimmt nicht«, sagte sie und zog mich an sich. »Du, Cecelia Rose, bist eine perfekte Perle. Meine perfekte, kleine Perle.«
Als die Erinnerung abebbte, steckte ich die Kette wieder in ihr Täschchen und legte es in meine Nachttischschublade.
Später am Nachmittag fuhren Tante Tootie und ich zum Eisenwarenladen, um einen Rechen zu kaufen. Sie fand genau so einen, wie sie wollte, und noch ein paar andere Sachen – ein Erdsieb und ein komisches Gerät zum Zwiebelnsetzen.
Als wir alles im Kofferraum verstaut hatten, stiegen wir ein, und zu meiner Überraschung machte Tante Tootie das Dach auf. Auf dem Rückweg in die Stadt blitzte die Nachmittagssonne auf Delilahs Flügelspitzen. Ich lehnte den Kopf an den Sitz und genoss den Wind in meinen Haaren.
»Ich habe das Gerät zum Zwiebelnsetzen gekauft, weil ich vorm Haus etwas verändern möchte«, sagte Tante Tootie und sah mich an. »Letzte Woche habe ich zweihundert Tulpenzwiebeln und tausend Traubenhyazinthen bestellt.«
»Tausend? Ach du heiliger Bimbam! Da brauchen wir ja ewig für.«
Sie lachte. »Ich habe für die Herbstbepflanzung einen Gärtner angeheuert. Aber du und ich, wir planen das alles. Die Hälfte der Tulpen ist rosa, die andere Hälfte gelb. Drum herum setzen wir diese ganzen zauberhaften lila Traubenhyazinthen. Wär doch hübsch, oder?«
Ich nickte. »Aber ich setze gerne Zwiebeln. Können wir das nicht zusammen machen?«
»Schatz, ich gebe es nur ungern zu, aber ich werde langsam alt. Ich kriege fürchterliche Rückenschmerzen, wenn ich mich zu lange bücke. Und im November, wenn die Zwiebeln geliefert werden und die Pflanzzeit anfängt, bist du mit der neuen Schule und jeder Menge toller Sachen beschäftigt. Aber wir können im Seitengarten ein bisschen was anpflanzen«, sagte sie und zwinkerte mir zu.
Tante Tootie fuhr durch die Stadt, aber als wir zu unserer Straße kamen, fuhr sie einfach daran vorbei. Als ich sie fragte, wohin wir fuhren, lächelte sie nur und sagte: »Du wirst schon sehen.«
Ein paar Minuten später hielten wir vor dem Haus, das vor dem Abriss gerettet worden war. Mir klappte die Kinnlade hinunter. Weg waren das eingesackte Dach und die ausgetretenen Stufen. Um das Haus stand ein Gerüst, und Arbeiter waren damit beschäftigt, die
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