Die Frauen von Savannah
willkommen, in Adeles Haus zu wohnen, wenn ich will.« Mrs Odell knetete gedankenverloren und mit dem traurigsten Gesicht, das ich je gesehen hatte, den Saum ihres Kleides. »Ich bin so eine dumme alte Frau«, sagte sie und ließ den Kopf hängen. »Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass so was passieren könnte.«
Oletta stieß einen langen Seufzer aus und ließ sich auf einem Sessel nieder. »Was machen Sie denn jetzt, Miz Gertrude?«
»Roy ist ein netter Kerl. Er hat mir angeboten, mit dem Auto herzukommen und mich abzuholen. Aber in Florida kenne ich keine Menschenseele. Ich denke, wenn mein Aufenthalt hier vorbei ist, nehme ich den Bus zurück nach Ohio.«
Tante Tootie rutschte näher. »Aber Ihr Haus ist doch schon verkauft, was wollen Sie denn noch dort?«
Mrs Odells Lippen zitterten. »Es geht ja nicht anders. Das ist die einzige Stadt, die ich kenne. Es gibt in Willoughby ein paar Seniorenwohnungen. Da werde ich schon was finden.«
Tante Tootie wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Ich sah, wie ihr Mund sich zu einem Lächeln verzog. Es war genau dasselbe Lächeln wie an dem Tag, an dem sie in mein Leben marschiert war.
»Gertrude, Sie haben ein Zuhause«, sagte sie und drehte sich zu Mrs Odell um. »Und das ist genau hier in Savannah. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie hier bei Cecelia und mir wohnen würden.«
Mrs Odell schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, das ist sehr nett, Tootie, aber ich kann Ihnen unmöglich so zur Last fallen.«
»Sie würden sicher niemandem zur Last fallen.«
»Das Kind hier hat Sie jedenfalls sehr lieb«, sagte Oletta. »Wenn Sie hier in Savannah wären, wären alle glücklich.«
Mrs Odell wirkte ganz verdattert. »Ich gebe ja zu, dass ich Savannah wirklich gern mag. Das warme Wetter hat meinen alten Knochen gutgetan. Ich besitze nicht viel, aber ich habe das Geld vom Verkauf des Hauses. Vielleicht könnten Sie mir helfen, eine kleine Mietwohnung zu finden, etwas in der Nähe. Was man zu Fuß erreichen kann.«
Tante Tootie tätschelte Mrs Odell die Hand. »Aber warum wollen Sie denn was mieten, wenn Sie hier ein Zuhause haben?«
»Ach Tootie, Sie sind so großzügig. Aber die Arthrose in meinen Knien. Ich weiß gar nicht, wie lange ich noch die Treppe hochkommen würde.«
Meine Tante sah zur Treppe und dachte kurz nach. »Na ja, im Moment geht es noch, oder?«
Mrs Odell nickte.
»Also, dann bleiben Sie hier, bis Ihre Knie etwas anderes verlangen.« Sie lächelte Mrs Odell an. »Machen wir es doch wie Scarlett O’Hara und verschieben alles andere auf morgen.«
»Ich möchte nicht gern Almosen annehmen. Das habe ich noch nie getan, und damit möchte ich auch jetzt nicht anfangen. Wenn ich hier wohnen würde, müsste ich auf jeden Fall Miete zahlen und …«
»Gertrude, es ist alles schon beschlossen. Sie wohnen hier bei Cecelia und mir, und Ihre Miete wird sein, dass Sie die Gartenarbeiten beaufsichtigen. Ich habe einfach keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern, deswegen habe ich einen netten Herrn eingestellt, der die körperliche Arbeit erledigt. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Sie die Sache beaufsichtigen.«
Ich kniete mich auf den Boden vor Mrs Odell. »Oh bitte, sagen Sie Ja.«
Mrs Odell fingerte an einem Taschentuch herum und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen, und Oletta erhob sich. »Na los, Miz Gertrude, jetzt trocknen Sie sich die Augen, da ist noch ein Eimer Pfirsiche zu schälen. Lassen Sie uns das fertig machen, dass wir ein paar schöne Vorräte haben.« Sie reichte Mrs Odell die Hand.
Tante Tootie stand ebenfalls auf und zwinkerte. »Oletta ist hier der Chef, da gehorchen wir besser.«
Wir gingen im Gänsemarsch den Gang hinunter in die Küche und machten es uns auf unseren Plätzen gemütlich. Der Augenblick war so perfekt, dass ich am liebsten die Zeit angehalten hätte. Ich dachte daran, dass wir alle ein Lebensbuch hatten – Mrs Odell, Tante Tootie, Oletta und ich – und dass es irgendjemandem irgendwo gefallen hatte, unsere jeweiligen Namen in die Bücher der anderen zu schreiben.
An dem Abend saßen Tante Tootie, Mrs Odell und ich auf der Veranda, als wir plötzlich Mrs Goodpepper kreischen hörten. »Oh nein! Du mieses, kleines Miststück!«
»Was ist denn da los?«, fragte Tante Tootie und erhob sich.
»Ich geh mal gucken.« Ich rannte die Stufen hinunter, über die Terrasse und durch das Loch in der Hecke. Miz Goodpepper stand an ihrem Jasminspalier. »Was ist denn los?«, fragte ich und trabte auf sie
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