Die Frauen von Savannah
Matratze. Ich blätterte zu der Seite mit dem Hochglanzfoto von ihrer Krönung zur Zwiebelkönigin von Vidalia. Ich hatte recht. Das Kleid, das Tante Tootie für mich gekauft hatte, war Mommas Kleid wirklich sehr ähnlich; strahlend weiß, mit angekräuseltem Rock, ärmellos, runder Ausschnitt, Reißverschluss hinten. Sogar der steife Unterrock. Der einzige echte Unterschied war, dass Mommas Kleid keine Schärpe in der Taille hatte, meines schon.
Momma hatte dieses Kleid an dem Tag getragen, an dem sie starb, und ihr Sarg war zwar geschlossen gewesen, aber ich stellte mir vor, dass sie es immer noch trug, als sie zu Grabe gelegt wurde, zusammen mit den roten Schuhen. Diese Vorstellung wurde ich nicht so leicht los.
Ich machte das Album zu und schob es unter die Matratze zurück.
Als ich die Steppdecke wieder glatt strich, hämmerten furchterregende Gedanken in meinem Kopf. Was, wenn das Kleid, das Tante Tootie mir gekauft hatte, ein böses Omen war? War Mommas Krankheit auf mich übergegangen? War ich genetisch verdammt? War es nur eine Frage der Zeit, bis meine Seele genauso kaputtging wie ihre?
Ich wollte das Kleid so weit wie möglich aus den Augen haben, ging zum Schrank und schob es ganz ans Ende der Kleiderstange, dann ordnete ich die anderen Kleider neu und bauschte sie so auf, dass es hinter Baumwolldrucken, Karos und Streifen verschwand. Mit etwas Glück würde Tante Tootie es einfach vergessen.
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Kapitel 8
F reitag war ein geschäftiger Tag in Tante Tooties Haus. Sie selbst war schon vor acht aus dem Haus, zu einer Sondersitzung der Historic Savannah Foundation . Gegen halb zehn rumpelte ein hellblauer Kleinlaster den Weg hinterm Haus entlang und parkte neben der Garage. Zwei Männer kamen durchs Gartentor, einer mit einer Heckenschere und einer Reisetasche voller Gartengeräte, der andere schob einen Rasenmäher. Schon nach wenigen Minuten hörte ich das Schnipp-Schnipp der Heckenschere, und bald darauf drang das Dröhnen des Rasenmähers durch die offenen Fenster herein, wurde lauter, dann leiser, dann wieder lauter, als er auf und ab geschoben wurde.
Oletta war ebenfalls beschäftigt. An der Küchendecke summte der Ventilator, sie buk Brot und Zimtschnecken für Tante Tootie und mich fürs Wochenende. Obwohl ich erst seit ein paar Tagen in diesem großen, alten Haus wohnte, hatten Oletta und ich schon einen eingespielten morgendlichen Ablauf. Wenn die süßen Hefedüfte durchs Haus zogen, saß ich auf einem Hocker neben dem Hackklotz und las Oletta laut aus meinen Nancy-Drew-Büchern vor.
»Diese Nancy Drew ist wirklich schlau«, sagte Oletta und formte Teig zu einem Brotlaib. »Und du kannst gut lesen – schöne Stimme hast du.«
Ich wurde vor Verlegenheit ganz rot. »Das Buch habe ich schon so oft gelesen, das kann ich schon auswendig. Ich habe mir die Bücher in Tante Tooties Bibliothek angeguckt, aber ich glaube, die sind alle ein bisschen langweilig.«
Sie schob ein Brot in den Ofen. »Die meisten von denen waren Mr Taylor seine, Gott hab ihn selig. Schade, dass du ihn nicht kennengelernt hast – der netteste Mann, den ich je getroffen hab. Ein echter Gentleman.« Sie schüttelte den Kopf. »Solche gibt’s heute gar nicht mehr.«
»Woran ist er eigentlich gestorben?«
»Herzinfarkt«, sagte sie und beugte sich über den Ofen, um den Timer anzustellen. »In seinem Lieblingssessel in der Bibliothek. Oh, der war ’n großer Leser. Jeden Abend nach dem Abendessen hat er sich hingesetzt und bis zum Schlafengehen gelesen.«
Oletta ging zur Speisekammer, und ich folgte ihr. »Wie ist er eigentlich so reich geworden?«
»Mr Taylor hat ’ne Menge Land in Florida gekauft, vor langer Zeit«, sagte sie und hob einen Sack Mehl vom Regal. »Wie er das verkauft hat, hat er haufenweise Gewinn gemacht. Er hatte auch mit Bergbau zu tun, also nicht Kohle, sondern Steinbruch. Er war ein mächtiger Mann und so eine freundliche Seele. Normal gibt’s das nicht zusammen.«
Wir kehrten in die Küche zurück, und ich hielt den Rührtopf fest, damit Oletta Mehl hineingeben konnte. »Die meisten Bücher in der Bibliothek sind Geschichtsbücher. Er muss sich sehr für Geschichte interessiert haben.«
Oletta nickte. »Allerdings. Aber ich glaub nicht, dass die Bücher was für dich wären. Ich geh heute Nachmittag mal mit dir in die Leihbücherei. Die haben bestimmt ’ne Menge Kinderbücher.« Sie sah mich an und zwinkerte mir zu. »Sogar für so schlaue Kinder wie dich.«
Hinter mir erklang eine
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