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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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doch genau, dass die Wahrheit völlig egal ist. Das ist ’ne abgekartete Sache, das sieht doch jeder.«
    »Nadine hat recht«, sagte Chessie, »der hasst Farbige. So einen Hass habe ich schon lange, lange nicht gesehen.«
    Ich bekam Gänsehaut auf den Armen.
    Nadines Stimme war voller Angst. »Du würdest nicht davon reden, zur Polizei zu gehen, wenn du sein Gesicht gesehen hättest, wie er das Messer gezückt hat. Der hätte mir nur so zum Spaß die Kehle aufgeschlitzt.«
    »Aber Miz Tootie hilft uns, wenn …«
    »Oletta, kapierst du’s nicht? Er hat mich ausgeraubt und dann von Chessie in die Fresse gekriegt. Der flippt jetzt völlig aus. Der will uns linken. Der will doch bloß, dass wir zur Polizei gehen, damit er rauskriegen kann, wer wir sind! Ich, Taye und Chessie haben die halbe Nacht drüber gesprochen. Taye meint, wenn wir zur Polizei gehen, können wir uns auch gleich ein Grab schaufeln. Der Arsch hat doch garantiert mit dem Klan zu tun. Der hatte ’ne Tätowierung auf dem Unterarm, schwarzes Kreuz auf rotem Kreis, hab ich genau gesehen.«
    »Psst, Nadine«, sagte Chessie, »nicht so laut.«
    »Du kannst das Miz Tootie nicht erzählen«, flüsterte Nadine. »Der Polizei ist egal, wer Miz Tootie ist oder was sie sagt, sie war ja nicht dabei. Am Ende steht unser Wort gegen seins. Ich hab’s gestern schon gesagt, und ich sag’s auch gerne noch mal: Was drei farbige Frauen sagen, schert die doch einen Dreck.«
    Nach einer langen Pause seufzte Oletta. »Ich muss es ihr sagen, wegen dem Kind.«
    Nadines Stimme war voller Angst. »Oletta, wir sind seit dreißig Jahren befreundet. Ich bitte dich, sag Miz Tootie nichts. Das musst du uns versprechen.«
    »Oletta, du musst tun, was du für richtig hältst«, sagte Chessie. »Hier kriegt ja keiner Ärger außer mir. Ich hab dem Mann eins übergezogen. Und das bereu ich auch nicht. Gut, dass ich den Overall anhatte, immerhin denkt er, ich wär ein Mann. Das lenkt die Polizei ab. Herrgott, die werden hinter jedem großen Schwarzen von hier bis Mississippi her sein.«
    »Im Moment können wir nichts machen wie beten«, sagte Oletta. »Also, reißen wir uns zusammen und begeben uns in die Hand des Herrn.«
    Aus Angst, sie würden gleich aus der Küche kommen, presste ich mich an die Wand und hielt die Luft an.
    Stühle kratzten auf dem Boden, dann herrschte lange Schweigen. Schließlich sprach Oletta mit dunkler, kraftvoller Stimme. »Allmächtiger Vater, hilf uns heute …«
    Ich krabbelte auf allen vieren um den Schrank herum und schaute in die Küche. Sie saßen am Tisch, die Köpfe gesenkt und die Augen geschlossen. Sie hielten sich über den Tisch hinweg an den Händen, sodass ihre braunen Arme einen Kreis bildeten. Das Bild prägte sich mir für immer ein: Chessie in einem sackartigen, karierten Kleid, Nadine in einem geblümten Top und hochgekrempelten Jeans, und Oletta in ihrer weißen Schürze mit Kirschsaftflecken.
    »Sei uns gnädig, Herr. Halt uns in deiner Hand und leite uns …«
    Ich wusste, ich musste hier weg, und zwar schnell. Ich drückte mich vom Boden hoch und flitzte durch die Eingangshalle.
    Nach dem Abendbrot nahmen Oletta und ich süßen Tee mit nach draußen und setzten uns auf die Veranda – sie flickte eine eingerissene Tasche an ihrer Schürze, ich aß einen Apfel und las ein Buch. Beim Essen war Oletta ziemlich still gewesen, und jetzt war sie so schweigsam geworden, dass sie nicht mal ein Lied summte, wie sonst immer.
    Als ich ins Haus ging, um den Apfelrest wegzuwerfen, sah ich eine Zeitung aus dem Abfall gucken. Ich zweifelte keine Sekunde, dass es die war, die Nadine und Chessie mitgebracht hatten. Langsam und leise zog ich sie hervor und wischte die Brotkrümel ab. Ich brauchte eine Weile, um sie gründlich durchzusehen, also ging ich auf Zehenspitzen durch die Küche und schaute aus dem Fenster. Oletta war in ihre Näharbeit vertieft, und ich nahm die Zeitung mit ins Bad und schloss mich ein. Ich setzte mich auf den Boden und strich das Papier glatt, aber auf der Titelseite stand nichts Interessantes. Ich blätterte um, und als mein Blick über die Hälfte der zweiten Seite geglitten war, schnappte ich nach Luft.
    Mann auf Tybee Island überfallen und ausgeraubt An einem abgeschiedenen Strand auf Tybee Island wurde gestern Nachmittag Lucas Slade, 34, von drei Negern überfallen, einem Mann und zwei Frauen. Ein weißes junges Mädchen musste mit ansehen, wie die Frauen Slade Brieftasche und Armbanduhr abnahmen. Nachdem Slade

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