Die Frauen
Energie erfüllt - oder Nervosität, sagen wir lieber, Nervosität. »Ich wünschte, wir hätten Ihnen besseres Wetter zu bieten«, fügte ich hinzu. Lahm.
Mit ausdruckslosen, blutleeren Gesichtern blickten die beiden Frauen misstrauisch unter ihren Hutkrempen zu mir auf. Die eine (Daisy, wie sich herausstellte) rauchte, über die Wölbung ihrer Knie und ihre herabhängenden nassen Mantelschöße gebeugt, und als sie jetzt beiläufig einen langen Zug tat, leuchtete die Glut am Ende ihrer Zigarette auf und beschien ihr Gesicht, was, wenn auch unbeabsichtigt - sie rauchte einfach nur -, eine dramatische Wirkung erzielte. Sie trug einen Glockenhut, dessen steifer, runder Rand ihre Augen beschattete und ihr Haar verbarg, nur an ihrem Nacken waren ein paar blonde Strähnen zu sehen, als sie sich vorbeugte. Ihre Beine waren, nach dem wenigen, was ich von ihnen sah, schlank und wohlgeformt und doch auch kräftig. Ich sah sofort, dass sie hara besaß, was in Übersetzungen oft mit dem Wort »Herz« in Verbindung gebracht wird - im Sinne von beherzt sein, sich ein Herz fassen -, dabei bezieht es sich tatsächlich auf den Bauch, den wir für den eigentlichen Mittelpunkt des Körpers und den Zugang zur Seele halten. Meine selige Mutter besaß großes hara. Mein Vater ursprünglich ebenso, doch scheint das Elend des Krieges es ihm leider genommen zu haben.
Die andere Frau - ich sollte wohl eher Mädchen sagen, denn sie war gerade mal neunzehn - war nicht weiter bemerkenswert, abgesehen von ihren feuchten Kuhaugen, die einen ebenso rasch erfassten wie wieder losließen. Und von ihren Sommersprossen, die jedes sichtbare Stück Haut bedeckten - ihre Handgelenke und Knöchel, Handrücken, Wangen, Stirn, Kinn. Sie hieß Gwendolyn Greiner. Ihre Augen hefteten sich auf mich. »Wer sind Sie?« wollte sie wissen.
Ich verbeugte mich tief und resolut. »Tadashi Sato«, sagte ich. Der Regen stürzte kaskadenartig vom Dachvorsprung herab. Es roch nach durchnässten Feldern, Moder, versteckter Fäulnis, Landleben. »Wrieto-San hat mich geschickt.«
»Wer?« Gwendolyn Greiner legte in diesem Augenblick zwei Eigenheiten an den Tag, die sich in den kommenden Wochen und Monaten in Taliesin als für sie typisch erweisen würden: eine nasal artikulierte, aggressive Quengeligkeit und das fragende Anheben ihrer Oberlippe, das ihr überdimensionales Pferdegebiss zum Vorschein brachte. Ob ich sie mochte? Nein, überhaupt nicht. Und ihre Sommersprossen - ihre Flecken - ließen mich vor Abscheu regelrecht erschauern. Der Gedanke an ihre von Mantel und Kleid verborgenen Unterarme, ihre Oberarme, ihre Brüste, ihren Rücken, ihr - es tut mir leid, wenn ich hier mein persönliches Vorurteil zum Ausdruck bringe, aber meiner Ansicht nach sollte die Haut einer jungen Frau so glatt und makellos wie das weichste Chamois sein, wie die Haut einer Debütantin, einer Jungfrau, eines Kindes.
Ich verbeugte mich erneut, den Blick auf Daisy gerichtet, die sich ihre Zigarette so lässig an die Lippen hielt, als säße sie bereits gemütlich in ihrem Zimmer, ihre Kleider wären im Schrank aufgehängt, die Bücher stünden auf dem Regal, ihre Füße steckten in bestickten Hausschuhen, und im Kamin prasselte ein helles Feuer. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich meine natürlich Mr. Wright. Mr. Wright hat mich geschickt. Aus Taliesin.«
Gwendolyn: »Sie? Sie sind aus Taliesin?«
»Ja«, sagte ich, und mein Begrüßerlächeln begann zu ersterben. »Ich bin einer von Wrieto-Sans - Mr. Wrights - Schülern.«
Jetzt ergriff zum erstenmal Daisy das Wort. »Herrje, Gwen, er will uns doch nur helfen.« Sie war aufgestanden und kam jetzt mit ausgestreckter Hand auf mich zu, während sie zugleich mit verzogenem Mund eine Rauchwolke über die Schulter blies. »Wie war noch gleich Ihr Name?« fragte sie dann und ergriff meine Hand. (Ihre Augen waren übrigens von dem altehrwürdigen tiefen Blau von Noritake-Porzellan, und ihre Haut war makellos.)
»Tadashi«, wiederholte ich und verbeugte mich so tief, dass meine Stirn ihr Handgelenk streifte. »Tadashi Sato.«
Gwendolyn Greiner schnitt mir eine Grimasse, dann schlüpfte sie ins Auto, während ich mich mit dem elend kantigen Schrankkoffer abmühte. Daisy trotzte löblicherweise dem Regen und half mir, so gut sie konnte, ihn auf dem Notsitz zu verstauen - »Nein, Tadashi, nein, hier, so geht es«, murmelte sie und fasste mich zur Bekräftigung am Arm, während die Straße schier davonfloss, der Regen strömte und alles in der
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