Die Frauen
hatte, und meine vorherige Freundin - diejenige, die mich wegen des Posaunisten verlassen hatte und hier namenlos bleiben soll - hatte mir geschworen, ich sei das Gesprächsthema im Mädchenwohnheim, und mir mehr als einmal versichert, ich stellte alle anderen Männer in den Schatten, im Bett und überhaupt. (Was natürlich die verwirrende Frage aufwirft, warum sie dann mit mir Schluss gemacht hatte.) Darüber hinaus war ich, wie schon erwähnt, durch die viele Bewegung an der frischen Luft zu einem kräftigen und vielleicht sogar flotten Burschen geworden. Ich war schlagfertig, mein Englisch war passabel, meine architektonische Begabung ebenso groß, wenn nicht größer als die der anderen Schüler, und ich entstammte einer der ältesten und angesehensten Familien Japans. War es da verwunderlich, dass Daisy sich in mich verliebte?
An jenem ersten Abend, nach einem qualvollen Essen, bei dem sämtliche Männer ungeschickt versuchten, mit den Neuankömmlingen Konversation zu machen, und Herbert Mohl Daisy anglotzte, als wäre sie ihm und nur ihm allein in der Muschelschale serviert worden, nahm ich sie beiseite und lud sie ein, mit mir - oder vielmehr mit uns, einer gemischten Gruppe - noch auf einen Schlummertrunk in die örtliche Schenke zu gehen. Wir standen in einer Ecke des Esszimmers, Gwendolyn war durch vier oder fünf Schüler abgelenkt, die meine Voreingenommenheit hinsichtlich epidermischer Makel offensichtlich nicht teilten und sie umwarben, der Regen stürzte mit einem niagaraartigen Tosen von der rinnenlosen Dachtraufe, das elektrische Licht flackerte, die Luft war dampfig und fruchtbar, und einen Moment lang war alles in der Schwebe, während wir im Stillen abwägten, ob wir lieber früh zu Bett gehen oder unserer jugendlichen Lebensfreude die Zügel schießenlassen sollten. Ich musste meine Stimme erheben, um das Geprassel des Regens zu übertönen. »Hätten Sie Lust, noch etwas trinken zu gehen?« schrie ich mehr oder weniger, und zwar genau in dem Moment, als Wrieto-San und Mrs. Wright in Begleitung von Svetlana und Iovanna ins Zimmer traten.
Ich weiß nicht, ob ich erbleichte oder mich an meinen fatalen Worten verschluckte, auf jeden Fall war ich überrascht. Wir waren es alle. Die Wrights gesellten sich nach dem Essen nämlich fast nie zu uns, sondern verließen den Raum auf der anderen Seite, liefen ein Stück den Hang hinunter und gingen dann durch den Hof zu ihren Zimmern. An diesem Abend jedoch hatten sie offenbar beschlossen, sich nur so kurz wie möglich dem Regen auszusetzen, und gingen deshalb durch unser Esszimmer und die Küche. Wrieto-San verhielt sich wie immer, er gestikulierte, schwang Reden, witzelte über das Wetter und Yens neue Frisur, doch Mrs. Wright blickte jäh auf, als hätte sie mich gehört. Ich lächelte. Verbeugte mich. Winkte. Aber sie war schon an mir vorbei, und ich vollendete die Einladung mit gesenkter Stimme: »In Stuffy’s Tavern.«: Daisy - ich hatte ihr schon das Kompliment gemacht, dass sie in einer trockenen Bluse und einem schlammfreien Rock doch viel besser aussehe - beugte sich komplizenhaft zu mir herüber. »Stuffy’s?« Sie stieß ein leises Lachen aus - oder eigentlich eher ein Kichern. »Das klingt eher nach einer Matratzenfabrik. Oder nach Kissen. Federkissen. « Stuffy’s Tavern, erläuterte ich, war die Schenke von Stuffy Vale, einem der örtlichen Milchbauern, der wegen der Konkurrenz durch Carnation und andere Konzerne seine Käserei verkauft hatte und von dem Erlös zu Wrieto-Sans großer Bestürzung und zur Freude seiner Schüler eine Schankwirtschaft errichtet hatte. Sie lag auf »unserer«
Seite des Flusses, auf halber Strecke nach Helena. Das heißt, sie war gut zu Fuß zu erreichen. Selbst bei Regen.
»Sie werden sehen«, sagte ich. »Es ist nicht weit.«
»Wir laufen?«
»Ja«, sagte ich und redete noch leiser, während Mrs. Wright und ihre Töchter den Raum verließen, »denn, na ja, wenn wir um diese Zeit einen der Wagen anlassen, hört Wrieto-San das garantiert -«
»Und es wird ihm nicht gefallen.« Sie beobachtete mich genau, die Lippen zu einem erwartungsvollen Lächeln verzogen. Sie trug einen Rock mit Blumenmuster und eine weiße Strickjacke, die an genau den richtigen Stellen eng anlag. Ihr vom Hut befreites Haar war zu einer Kaskade ondulierter Wellen gekämmt, im Stil der Hollywoodschauspielerin, die in dem großen Hollywoodfilm dieses Jahres den riesigen Affen gezähmt hatte.
»Ja«, räumte ich ein und konnte mir einen
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