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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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setzte ein Lächeln auf. Daisy versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden.
    »Hier wird nicht geraucht«, sagte Mrs. Wright in neutralem Ton, rein sachlich. »Mr. Wright ist dagegen. Und ich auch.«
    Sie hielt die Tür halboffen. Der Schüler - er war am vorigen Tag eingetroffen, und ich wusste noch nicht, wie er hieß - sah mich verwirrt an, als sei es ihm schleierhaft, wie er seine Zeichenutensilien gegen eine Schürze und ein Küchenmesser hatte eintauschen können. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine der Hennen aus der Garage kam, im Matsch nach etwas pickte und dann im Dunkeln verschwand. Regen trielte vom Dachvorsprung. »Und ich fürchte«, fuhr Mrs. Wright in ihrem polternden, pompösen Tonfall fort - »na ja, Sie sind voller Schlamm und müssen sich erst einmal umziehen, bevor wir ... Tadashi, führen Sie die beiden zu ihren Zimmern?« Sie machte eine bekräftigende Geste mit dem Kinn und rollte mit den Augen wie eine Schauspielerin, die ein Zeichen in die Kulissen gibt. »Hinter Ihnen, auf der anderen Seite vom Hof - da, wo Sie früher gewohnt haben?« Sie sprach es wie eine Frage aus, als könnte ich sie falsch verstehen und mit den Mädchen durch die Blaue Loggia oder das Wohnzimmer marschieren, zu denen die Schüler, außer in den glorreichen paar Stunden des sonntäglichen Abendessens, keinen Zutritt hatten, doch ihre Absicht lag klar auf der Hand. Nun, da ich und eine Reihe anderer männlicher Schüler in die ehemalige Hillside School umgezogen waren, gedachte sie die Frauen hier im Hauptgebäude abzusondern. Damit sie, das war wohl ihr Gedanke, ein wachsames Auge auf sie haben konnte.
    Ich verbeugte mich kurz. »Ja, natürlich, Mrs. Wrieto-San.«
    Jetzt wandte sie ihre Aufmerksamkeit Gwendolyn und Daisy zu, und ihre Lippen öffneten sich mühsam zu einem Lächeln, das freundlich gemeint war. »Und jetzt: Willkommen, die Damen. Willkommen in Taliesin. Wir werden noch ausreichend Zeit haben, uns miteinander bekannt zu machen, wenn Sie sich abgetrocknet haben.« Sie hielt inne. Das Lächeln verschwand, wich einer fragenden Grimasse. »Sie können doch kochen, oder?«
    Je länger ich heute darüber nachdenke - nach all den Jahren und nach den Überlegungen, die ich, angeregt durch die Mitarbeit meines Schwiegerenkels an diesen Seiten, zu gewissen schmerzlichen Erinnerungen angestellt habe -, desto klarer sehe ich, dass Mrs. Wright mindestens ebensosehr für die Unterbindung meiner Beziehung zu Daisy verantwortlich war wie ihr Mann. Die beide zogen fraglos an einem Strick, wie es so schön heißt. Ich will keineswegs behaupten, dass Wrieto-San in irgendeiner Weise rassistisch gewesen wäre - sowohl in seinem Privatleben als auch in seinem öffentlichen Auftreten wiesen alle Anzeichen unmissverständlich darauf hin, dass er mein Volk und die Kultur meines Landes verehrte -, doch seine Haltung nicht nur zu meiner Liebesbeziehung, sondern überhaupt zu den Privatangelegenheiten seiner Schüler lässt sich nur als scheinheilig bezeichnen. Was ich damit sagen will? Er war ein Despot - Daddy Frank -, und sie, Mrs. Wright, Olga Lazovich Milanoff Hinzenberg Wright, war seine Komplizin und Handlangerin. Es war ganz einfach: Da sich ihr eigenes skandalöses Verhalten in der Zeit, die von den Gelehrten als »die verlorenen Jahre« bezeichnet wird, nicht nur negativ auf ihre Beziehungen zu den Einheimischen, sondern auch ganz konkret auf Wrieto-Sans Möglichkeiten, als Architekt seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ausgewirkt hatte, waren sie beide fest entschlossen, bei der Fellowship jeden Ruch der Unanständigkeit zu vermeiden. Und wenn sie dazu das Leben und die Gefühle der jungen Menschen in ihrer Obhut manipulieren mussten, dann taten sie das - ohne Bedauern oder weiteres Nachdenken: Realpolitik.
    Daisy und ich fühlten uns von Anfang an zueinander hingezogen, unabhängig von unserer unterschiedlichen Rasse und kulturellen Herkunft. Da war der Blick, mit dem sie mich am Bahnhof angeschaut, die natürliche Grazie, mit der sie meine Hilfe angenommen hatte, und dann der lange Händedruck als Belohnung dafür, dass ich den Schrankkoffer auf ihr und Gwendolyns gemeinsames Zimmer brachte (und ihn durch die schmale Tür bugsierte, wobei ich mir einen Ellenbogen aufriss und beide Schienbeine aufschürfte). Und warum auch nicht? Auch wenn ich es gerne abstritt, machte ich durchaus etwas her - meine Mutter hatte mir mehrmals geschrieben, wie elegant und attraktiv ich doch auf den Fotos aussah, die ich ihr geschickt

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