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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zug mit nach Wisconsin und überließ es ihr, der Asche zu Leibe zu rücken, die in das Studio, das hintere Schlafzimmer, in Küche und Speisekammer und überall sonst eingedrungen war, wo ein Fenster offengestanden oder ein Schuh seinen Abdruck hinterlassen hatte. Unterdessen schritt er das Grundstück ab und besprach mit Billy Weston und Paul Mueller, was getan werden musste. Sie war eine Furie und brachte auf eine Weise Ordnung ins Haus, wie seine eigene Mutter es nie vermocht hätte, denn er liebte seine Mutter zwar wie keine andere Frau auf dieser Welt und brauchte sie auch mehr denn je, doch sie hätte herumgenörgelt, ihn verhätschelt und irritiert, wie diese neue künstliche Mutter es nie tat. Mutter Breen. Sie kochte für die Männer, sie schrubbte, wusch und bügelte, und sie verstand kein Wort, das man sagte.
    Nach und nach, mit dem blassen Septemberdunst, dem Oktoberregen und dem anhaltenden Frost, der dieses Jahr schon im November kam, spielten sich die alten Abläufe wieder ein. Er reiste zwischen Spring Green und Chicago hin und her, beschwatzte Kunden, unterbreitete Pläne und Angebote, hielt nach Materialien Ausschau und stöberte in Läden und Galerien nach schönen Dingen, die die zerstörten ersetzen konnten. Er frisierte Konten, schrieb mehr Schecks aus, als seine Mittel zuließen, beschwichtigte seine Tochter, die immer wieder vorbeikam und fragte, ob sie ihm nicht irgendwie behilflich sein könne - seine Korrespondenz erledigen, abstauben, was auch immer. Und seine Mutter. Er verbrachte so viel Zeit wie möglich mit ihr, versicherte ihr, dass er Taliesin für sie wiederaufbaue, damit sie und seine Tanten Nell und Jane immer bei ihm sein könnten*, und das schien sie zu besänftigen, allerdings löcherte sie ihn immer wieder wegen Mrs. Breen. Wer das sei. Warum in einer Zeit wie dieser sie an seiner Seite sei statt seiner eigenen Mutter, die ihn schließlich geboren und das aus ihm gemacht habe, was er heute sei. Ob sie kochen könne, ob es daran liege? Ihr Essen schmecke ihm wohl besser als das seiner eigenen Mutter? Vor allem aber betrieb er den Wiederaufbau von Taliesin, schuftete auch im schlechtesten Wetter Seite an Seite mit seinen Männern, ohne die Kälte, die Unannehmlichkeiten zu spüren, und sah zu, wie im Laufe der Zeit aus dem bunten Allerlei von Holz, Stein und Stuck konkrete Strukturen entstanden.** Seine Muskeln schmerzten. Er begann die verlorenen Pfunde wieder anzusetzen. Pure Erschöpfung ließ seine Alpträume schwinden, und er schlief wieder, wie er immer geschlafen hatte, sank ungestört in tiefstes Vergessen.
     
    * Ich fürchte, Wrieto-San war eine Art Muttersöhnchen (okasan ko), er suchte sein Leben lang, insbesondere in Zwangslagen, die Gesellschaft von Frauen.
     
    ** Auch hier wieder fragt man sich, wie Wrieto-San das nötige Geld aufgetrieben hatte, um Baumaterialien zu kaufen und eine Mannschaft von rund fünfundzwanzig Maurern, Zimmerern und Arbeitern zu bezahlen, von denen viele auf dem Gelände untergebracht und ernährt werden mussten. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass er seinen legendären Charme spielen ließ und vielleicht sogar die mitleidigen Reaktionen auf Mamahs Tod als Keil benutzte, mit dessen Hilfe er Freunde, Händler und potentielle Kunden von ihren Mitteln trennte - und trotzdem ...
     
    Während dieser ganzen Zeit erhielt er Beileidsbriefe von Freunden wie Fremden, Hunderte von Briefen, eine wahre Flut, so viele, dass er sie niemals alle hätte beantworten können. Jeden Tag lag wieder ein neuer Stapel auf seinem Schreibtisch, denn die Berichterstattung in der Presse hatte hemmungslose Gefühlsergüsse von Menschen in aller Welt provoziert, die an seiner Trauer Anteil nehmen, ihm von ihren eigenen Verlusten und den Todesfällen in ihrem Leben erzählen, ihn beruhigen, schelten, loben, kritisieren und für ihn beten wollten. Nachdem er sich die erste Handvoll angesehen hatte, konnte er diese Briefe nicht mehr lesen. Sie deprimierten und verärgerten ihn. Was fiel diesen Menschen ein, zu glauben, sie könnten einfach so in sein Leben eindringen, ob sie es nun gut meinten oder nicht? War das die Folge trauriger Berühmtheit? War das die Bedeutung trauriger Berühmtheit? Dass Menschen sich wie Parasiten in das Privatleben eines anderen bohrten, an seiner Seele nagten, sich mittels zweier dünner Blätter Papier bei ihm einschlichen?
    »Verbrennen Sie sie«, wies er seine Sekretärin an. »Alle. Außer wenn sie von Leuten stammen, die ich kenne

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