Die Frauen
MENSCHEN; WRIGHTS AUSERWÄHLTE ERMORDET-, doch er fühlte sich genötigt, eine Stellungnahme abzugeben, um den Angriffen auf Mamahs Charakter entgegenzutreten, denn diese Frau war besser und stärker gewesen, entschlossener, ihre Ideale zu leben, als jede andere Frau, die er kannte.**
* Erwähnt seien hier vor allem die Rohentwürfe für das Hotel Imperial. Wrieto-San befand sich damals gerade in Verhandlungen mit einem Vertreter des Kaisers und bot all seinen Charme und seine Überzeugungkraft auf, um sich diesen Auftrag zu sichern.
** Kämpferisch wie immer äußerte sich Wrieto-San gegenüber der Weekly Home News unter anderem wie folgt: »Ihr Ehefrauen mit euren Liebeszertifikaten - betet darum, dass ihr so sehr lieben dürft und so sehr geliebt werdet wie Mamah Borthwick.«
Inmitten all dieser Geschehnisse traf er eine winzige Entscheidung - eine Personalfrage, nicht der Rede wert, die Sorte Kleinigkeit, die er im Laufe der Jahre zahllose Male geregelt hatte -, und eine neue Frau trat in sein Leben. Er hatte sich nach einer Haushälterin umgehört, einer tüchtigen, ruhigen, verlässlichen Person, die sich in Chicago und später, wenn die Renovierungen begannen, auch in Spring Green um seine Bedürfnisse kümmern würde - ohne Mamahs Fürsorge war er hilflos. Das Geschirr türmte sich, verkrustet mit nichtidentifizierbaren Essensresten, im ganzen Haus, die Teppiche waren schmutzig, die Bettwäsche musste gewechselt werden, er hatte kaum noch saubere Hemden, kaum noch Unterwäsche oder Socken und war es leid, jeden zweiten Tag jemanden zur Wäscherei schicken zu müssen. Eine Winzigkeit. Er brauchte nur jemanden, der sich um ihn kümmerte.
An dem Tag, nachdem er deshalb herumgefragt hatte - frühmorgens, noch ehe er sich auch nur rasiert oder die Gelegenheit gehabt hatte, an Eier, Bratpfanne und den über Ahornfeuer geräucherten Schinken von dem Metzger in seiner Straße zu denken -, klopfte es an der Tür. Er war fast geneigt, es zu ignorieren. Wer konnte das sein um diese Zeit - ein Zeitungsmann, der ihm Stoff für die Abendausgabe zu entlocken hoffte? Ein Gläubiger, der sein Geld einfordern wollte? Weitere schlechte Nachrichten? »Augenblick!« rief er aus dem Bad in den Flur. Und dann mit etwas lauterer, gereizter Stimme: »Wer ist da?«
Er bekam keine Antwort, doch das Hämmern an der Tür ging weiter, wurde sogar noch heftiger. Nun doch leicht beunruhigt - seine Nerven lagen bloß, was Wunder -, trat er in den Flur und wiederholte seine Frage noch einmal. Er schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach sechs. Weiteres Hämmern, gebieterisch, empört. Er ging an die Tür und riss sie auf.
Ein verhutzeltes Frauchen stand vor der Tür, mit runden Schultern und hellblauen Augen, die ihn an die Bläschen in einer Flasche Mineralwasser erinnerten. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, trug Schnürstiefel und eine Haube aus dem vorigen Jahrhundert. »Ja?« fragte er völlig verwirrt. Hatte sie sich verlaufen? War sie anil? Ein Fall für die Wohlfahrt?
»Ich bin hier, um zu arbeiten«, schmetterte sie in einer Lautstärke, als befände sie sich auf der anderen Straßenseite. Schon lag ihre Hand auf der Klinke, und sie drängte sich an ihm vorbei ins Haus.
»Was machen Sie denn da?« wollte er wissen. »Wer sind Sie?«
Sie blieb kurz stehen, ließ den Blick durchs Zimmer wandern und murmelte irgendwas. Dann stellte sie ihre Tasche ab - jetzt sah er es: ein Hörrohr - und begann auf eine geradezu komische Weise, die Teller einzusammeln. Bloß war es eben nicht komisch. Es war ein Übergriff. Ein Ärgernis. Er nahm sie beim Arm, der erstaunlich fest war, und drehte sie zu sich herum. »Hören Sie, Ma’am, Madam, Sie können nicht einfach -«
Sie blickte ihn an, und er ließ ihren Arm los. »Mrs. Nellie Breen«, brüllte sie. »Aber Sie können mich Mutter nennen. Ihr Assistent in Midway, Mr. Mueller, hat mich geschickt. Mein aufrichtiges Beileid und die erlösende Liebe der Heiligen, der Jungfrau Maria und des Herrn Jesus persönlich wegen der schrecklichen Heimsuchungen, die über Sie hereingebrochen sind, wie ich in der Zeitung gelesen habe ... Wo, sagten Sie, ist die Küche? Und natürlich muss ich auch mein Zimmer sehen.«
Zuerst dachte er, sie sei zu gebrechlich für die Hausarbeit, doch da hatte er sich getäuscht - sie rackerte unermüdlich den ganzen Tag in einer Art stiller Empörung, die sich über Schmutz und Unordnung entlud. Und mochte er das Hörrohr zunächst auch lächerlich finden,
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