Die Frauen
zu ihr wandte, und alles daran war wild und animalisch - er sah aus wie ein Tier, das man außerhalb seines Baus gestellt hat: hasserfüllt, ganz und gar hasserfüllt.
»Aber sie ist dort willkommen, nicht?«
»Nun, ich ... Natürlich. Das weißt du doch. Ich baue Räume für sie und meine Tanten - und für dich, für dich auch.«
»Und für deine Kinder? Deine Kinder sind auch dort, oder? Catherine, Llewellyn, David, Frances? Eine große, glückliche Familie. Und wo schlafen sie? Leiden sie unter den Bauarbeiten?« Er sah sie an, und nun ging sie auf ihn zu und sagte es ihm ins Gesicht:
»Du bist ein Lügner, Frank. Ein Lügner. Und ein Ghul, jawohl, denn lieber als ich ist dir eine ... eine Leiche! Eine Erinnerung! Etwas, das tot ist!« Sie wandte sich von ihm ab, und ihre Hand suchte nach etwas, nach irgend etwas Greifbarem, einer seiner verdammten Statuen, irgend etwas - doch er packte sie am Handgelenk.
»Kein Wort gegen sie!« sagte er und drückte fester zu.
Sie fuhr herum und entwand sich seinem Griff, da war eine Vase, und es war ihr vollkommen gleichgültig, aus welcher Dynastie sie stammte und welcher geniale chinesische Künstler sie in welchem goldenen Zeitalter gebrannt hatte - waren sie nicht alle golden? -, ja, sie war in ihrer Hand, und dann war sie es nicht mehr, sondern zerbarst an der Wand. »Na los«, sagte sie, »schlag mich«, doch sie war bereits außer Reichweite, tat drei, vier Schritte und kam dann so schnell auf ihn zu, dass er zurückwich.
»Tot, Frank, kalt. Aber ich bin lebendig, eine Frau aus Fleisch und Blut!« Ihre Hände packten den Kragen ihres Kleides, und mit einem einem einzigen wilden Ruck zerriss sie es bis zur Taille, so dass ihre Brüste freilagen und die kühle Luft des Raums spürten. »Sieh mich an. Sieh meine Brüste an. Du hast sie oft genug gestreichelt. Du hast an ihnen gesaugt wie ein Baby. Da waren sie gut genug für dich. Und jetzt ist dir eine Leiche lieber?«
Er war erbleicht. Er wich vor ihr zurück. »Miriam«, sagte er flehend.
»Nein! Nein! Eher bringe ich mich um! Willst du das? Ja? Willst du zwei Leichen?«
Am nächsten Morgen - der Himmel mochte wissen, wo Frank die Nacht verbracht hatte - erschienen zwei seiner Assistenten, der mit dem Maulwurfshaar und ein anderer Handlanger mit verkniffenem Mund, und sahen sie an, als wäre sie eine der Gorgonen. Sie waren gekommen, um Mr. Wrights Sachen zu packen und in sein Studio
zu bringen. Was für Sachen? wollte sie wissen, doch eigentlich wusste sie es bereits. Und sie unternahm keinen Versuch, sie aufzuhalten, nein, keineswegs. Wenn er sich, Schuft, der er war, davonmachen und sie sitzenlassen wollte, einsam und mittellos, so würde sie ihn nicht daran hindern. Sie fuhr mit dem Taxi zu Marshall Field’s, obgleich sie dieses Kaufhaus hasste, und als sie in die East Cedar Street 25 zurückkehrte, erinnerten dort nur noch die Möbel an Frank - selbst seine Zahnbürste war verschwunden. Wieder beschloss sie, nicht im Studio anzurufen, und wieder verstieß sie gegen ihren Vorsatz. Wie sie vermutet hatte, war er in Taliesin, wo man ihn nicht erreichen konnte.
Diesmal kehrte er nicht zu ihr zurück. Und obwohl es jede Minute eines jeden Tages an ihr zehrte, blieb sie in dem leeren Haus. Jedesmal wenn sie auf der Straße ein Geräusch hörte - das Scharren einer Schuhsohle auf dem Bürgersteig oder eine Stimme, die eine Begrüßung rief -, war sie sicher, dass er es war, dass er wieder da war, doch jedesmal wurde sie enttäuscht. Immer und immer wieder. Die Tage vergingen, und sie stählte sich - schließlich besaß sie eigenes Geld. Und sie hatte ihre Pravaz und ein Rezept von einem ausgesprochen fortschrittlichen Arzt, dessen Adresse sie im Telefonbuch gefunden hatte. Dies war jetzt ihr Haus, und sie würde es, verdammt noch mal, nicht verlassen.
Selbstverständlich schrieb sie ihm - täglich, manchmal auch zwei- oder dreimal täglich. Sie rief ihn auch an, und wenn es ihr gelang, ihn zu erreichen, schien er nicht recht bei der Sache zu sein - und schuldbewusst, das auch -, und da er so tat, als wäre nichts, als wäre er einzig und allein mit den Bauarbeiten in Taliesin beschäftigt, konnte man ihr ja wohl keinen Vorwurf daraus machen, dass ihre Stimme ein akzeptables Maß an Lautstärke überstieg, denn schließlich war sie, wie sie ihm ins Gedächtnis rief, nur ein Mensch und keine bloße Erinnerung. Oder doch? Dann wurde der Ton seiner Briefe, der mitfühlend, fürsorglich, freundlich gewesen war -
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