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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Taliesin kommen lassen.« Er spießte mit dem Schälmesser eine Scheibe Bries auf und musterte das tropfende Stück. »In Paris mag das hier der letzte Schrei sein, aber bei uns isst man so was nicht. Diese Innereien -«
    »Das ist Kalbsbries«, korrigierte sie ihn und spürte, dass ihr ganz heiß wurde. So eine Frechheit, so eine Beleidigung. Er war ein Bauer, ja, ein ungehobelter Bauer. »Du bist ein Bauer. Das ist das Problem. Weißt du eigentlich, wie unkultiviert du bist?«
    »Und wir nehmen bei den Mahlzeiten keine alkoholischen Getränke zu uns.«
    Mit einemmal war sie wütend, so wütend, dass sie kein Wort herausbrachte. Statt dessen lachte sie, ein bitteres, schneidendes, sarkastisches Lachen.
    Er war aufgestanden, und jeder Zentimeter seiner eins siebenundsiebzig oder wie groß er auch sein mochte, war durchdrungen von Zorn. »Und das Rauchen«, knurrte er.
    »Es ist, als würde man in einem Tabaklagerhaus leben, das jemand in Brand gesteckt hat. Es ist eine widerwärtige Angewohnheit. Passt ganz und gar nicht zu einer Dame.
    Ich werde das nicht dulden.«
    Und nun begann der Kampf, denn auch sie war aufgesprungen und zahlte es ihm mit gleicher Münze heim. »Hinterwäldler!« rief sie. »Dorftrottel!«
    Er sah sie mit einem Blick an, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ - er war ebenso zu einem Mord imstande wie irgendein Finsterling in den Gassen der Southside -, und er machte auch tatsächlich einen Schritt auf sie zu, als würde er es wagen,
    Hand an sie zu legen. Soll er doch, dachte sie und blieb in Erwartung seines Angriffs steif stehen. Soll er doch. Aber er beherrschte sich - sie sah, wie die Vernunft in ihm die Oberhand gewann, es war, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Er hatte Angst vor ihr, nicht wahr? Dieser Kleingeist, dieser Feigling. »Du widerst mich an«, sagte er schließlich. Und dann machte er auf dem Absatz kehrt, fuhr herum, ging zur Tür hinaus und verschwand hinter dem schwarzen Vorhang der Nacht, ohne einen Gedanken an seinen Mantel, den Hut oder den Schal, der stets um seinen Hals geschlungen war, es sei denn, er saß bei Tisch oder lag im Bett.
    »Geh doch!« schrie sie und rannte zur Tür, in der erhobenen Hand den Teller mit dem Bries, den sautierten champignons de laforet und der Sherrysauce, die sie persönlich zubereitet hatte. »Geh doch, du Scheißkerl!« Und dann flog der Teller ihm hinterher und beschrieb über dem mondbeschienenen Vorgarten eine tropfende Parabel, bis er auf dem Bürgersteig zerschellte und das, was darauf gewesen war, den Vögeln und Eichhörnchen und Kreaturen der Nacht zum Fraß diente.
    Natürlich versöhnten sie sich wieder - in einer wilden Liebesnacht, die geradezu wie ein im freien Fall ausgefochtener Kampf zwischen zwei erbitterten Feinden begann und in beseligender Hingabe endete -, doch zuvor fuhr er ohne sie nach Wisconsin. Für drei ganze Tage. Und kein Wort von ihm. Nichts. Es war, als hätte er nie hier gelebt, als hätte sie ihn nie kennengelernt, als wäre dieses mit seinen Dingen angefüllte Haus nur ein Denkmal, ein von irgend jemandem erbautes Mausoleum. In der ersten Nacht tat sie kein Auge zu, ließ die Szene immer wieder in ihrem Kopf ablaufen und wünschte, sie hätte mehr Beherrschung und weniger Feuer und Wut an den Tag gelegt, denn sie
    liebte ihn, wie sie nie jemanden geliebt hatte, dessen war sie absolut sicher, da gab es nicht den Hauch eines Zweifels, und nun, da er fort war, verspürte sie einen Schmerz, der in ihr widerhallte wie ein Verzweiflungsschrei aus dem ausgehöhlten Stamm eines verdorrten Baumes. {6} Der nächste Tag war das reinste Fegefeuer, eine Abfolge schier unerträglicher Minuten und quälender Stunden. Sie ließ ihre Wut an Madeline und den diversen Lieferanten aus, die ihre Waren brachten, und sie würde ihn nicht in seinem Studio anrufen wie irgendein von seinem Kerl verstoßenes Flittchen, nein, das würde sie nicht. Gegen Ende des zweiten Tages war sie sicher, dass er sie mit einer anderen Frau betrog, mit seiner Sekretärin, seiner Frau - Kitty, so hieß sie, Kitty, und warum sie nicht einfach Schlampe nennen und Schluss damit? Sie rief Leora an und schluchzte durch die Drähte, sie rief Norma an, um ihr mitzuteilen, ihre Mutter sei am Ende, und schließlich brach sie, obgleich sie dagegen ankämpfte, zusammen und rief im Studio an. Wo ein weibischer Jünger ihr mit flötender Stimme mitteilte, der Meister - Mr. Wright - sei nach Taliesin gefahren, um die dortigen Arbeiten zu

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