Die Frauen
einem Mann passte oder nicht, war vollkommen bedeutungslos: Sie würde zu Frank Lloyd Wright in die East Cedar Street 25 ziehen. Sollten die anderen doch an ihren verkniffenen, jämmerlichen, kleinbürgerlichen Vorstellungen von Schicklichkeit ersticken. Sie würde leben. Sich verwirklichen. Unter Riesen wandeln. Zufällig liebte sie ein Genie, das alles in den Schatten stellte, einen Wagnerianischen Helden, der alle anderen um mehr als Haupteslänge überragte, einen Tannhäuser, einen Siegfried - und er liebte sie, sie und keine andere -, und wenn sie dachten, sie würde sich mit irgendeinem armseligen kleinen Zimmer in irgendeiner grässlichen Wohnung zufriedengeben und, von ihrem Schwiegersohn nur geduldet, leben wie eine Karmeliterin, dann hatten sie sich gründlich getäuscht. Sie ließ die Taschen dorthin bringen, die Schrankkoffer, mit denen sie von Frankreich hierhergereist war, ihre Kleider, ihren Schmuck, ihre objets d’art, und Mitte Januar hatte sie sich eingerichtet und war wieder Herrin eines eigenen Hauses.
Es war wie ein Wunder. Als wäre sie wieder in den Flitterwochen und als wäre dieses kleine Haus das Schiff, das sie beide über den weiten Ozean zum Meer der Seligkeit tragen würde. Die Nächte waren erfüllt von beglückender Liebe, die Morgen waren sonnendurchflutet (oder jedenfalls fühlte es sich so an), und während er in seinem Studio war und mit seinen huschenden Handlangern Entwürfe zeichnete, beschäftigte sie sich damit, das Haus eine Spur gemütlicher zu machen - oder jedenfalls ein bisschen weniger nüchtern. Das war das Wort, das sie benutzte, als sie mit Leora telefonierte: »Er wirkt so nüchtern, beinahe puritanisch - als wäre ein weiches Kissen ein verbotener Luxus oder so.« Sie wählte Vorhänge für die Fenster sowie Kissen für das Sofa und die flachen, harten Stühle aus. Sie bestellte Tischwäsche und Briefpapier mit Franks und ihren ineinander verschlungenen Initialen und dem Wappen ihrer Familie. Porzellan, Besteck - und Teppiche, Herrgott, Teppiche. Und was seine Lieblingsgerichte anging: »Ich sage dir, Leora, ich gebe mir große Mühe, wirklich - wir haben schon zwei Köchinnen verschlissen -, aber das einzige, was er zu mögen scheint, ist so fade und in jeder Hinsicht so reizlos, dass ich mir nicht vorstellen kann, es könnte in Frankreich irgend jemandem einfallen, dieses Zeug an die Schweine zu verfüttern, nicht mal dem schmutzigsten Bauern mit einem Dialekt, der sich anhört, als hätte er ihn gerade erst erfunden. Nein, ganz im Ernst. Wirklich. Er muss umerzogen werden. Er braucht eine gute Dosis Kultur, etwas, das über seine Zeichnungen und seine Häuser hinausgeht, die wirklich exquisit sind, das will ich nicht bestreiten, ganz und gar nicht ... «
Gegen Ende der zweiten Woche, als auf die gnadenlose graue Kälte des Januar der unerbittliche arktische Wind folgte, mit dem der Februar Einzug in die trostlosen Schluchten von Chicago hielt, hatten sie ihren ersten Streit. Die Köchin hatte auf ihre Anweisung und unter ihrer Anleitung ein hervorragendes tartare de saumon avec sauce moutarde als Vorspeise bereitet, gefolgt von bisque de homard, salade d’endive sowie einem spektakulären flambé de ris de veau, und zum Lachs hatte sie ihnen einen überaus duftigen Sancerre eingeschenkt, zum Bries dagegen einen Margaux, den sie selbst beim Weinhändler bestellt hatte - es hatte sie übrigens erhebliche Mühe gekostet, in dieser kulinarischen Provinz einen ausfindig zu machen -, doch Frank war alles andere als beeindruckt gewesen. Um die Wahrheit zu sagen: Er hatte seinen Teller irgendwann beiseite geschoben, als wäre er etwas, das er auf der Straße gefunden hatte, und war wortlos in die Küche gegangen und gleich darauf mit einem Glas Wasser und einem Apfel zurückgekehrt. Unter ihren befremdeten Blicken hatte er den
Apfel geschält, zerteilt, Stück für Stück in den Mund gesteckt und schließlich mit dem Wasser hinuntergespült.
»Ich habe den ganzen Nachmittag in der Küche verbracht«, sagte sie leise und bemühte sich, jede Strenge aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Und Madeline hat sich die allergrößte Mühe gegeben.«
Er sah sie scharf an. »Sag Madeline, dass sie entlassen ist.«
»Entlassen? Aber wir haben sie gerade erst eingestellt. Und sie ist hervorragend, wirklich hervorragend - nun ja, aus Montreal, aber -«
»Muss ich mich wiederholen? Sie ist entlassen. Wenn dies das Beste ist, was du zustande bekommst, werde ich Nellie Breen aus
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