Die Frauen
auch nicht ihre Mutter, und das würden sie ihn auf tausenderlei Art spüren lassen. Am schlimmsten aber war von Anfang an Mrs. Breen. Kaum hatte Miriam sich hingelegt, da war sie an seiner Seite und brüllte zahllose Fragen, auf die sie offenbar keine Antworten erwartete, denn das Hörrohr war nirgends zu sehen. Sie war eisern, wütend, ihr Gesicht war verkniffen, und ihre Augen funkelten. Wo die Dame schlafen werde, wollte sie wissen. Gab es irgendwelche besonderen Ernährungsvorschriften zu beachten? Denn sie, Mutter Breen, musste schließlich für all diese Arbeiter und die Familie kochen und war abgearbeitet und erschöpft und mit ihren Nerven am Ende. Und warum hatte die Dame nicht ihre Schuhe an der Tür ausgezogen? Wer, glaubte sie, würde hinter ihr aufwischen? Sprach sie französisch? Aß sie Schweinefleisch? War sie verheiratet? Erwartete sie, dass ihr eine Zofe behilflich sein würde?
Während des ganzen Abendessens redete er, unaufhörlich und von einer solchen Verzweiflung getrieben, dass er sein Essen kaum anrührte. Das sah ihm gar nicht ähnlich, und alle bemerkten es. Seine Mutter saß, eisig schweigend, ihm gegenüber, und obwohl Paul Mueller sich heldenhaft bemühte, Konversation zu machen, obwohl Llewellyn eine Anekdote über die Frösche im oberen Teich zum besten gab und Miriam sich tadellos benahm, stand der ganze Abend unter einem unguten Stern. Nach dem Essen setzte er sich an den Flügel* und begleitete die anderen durch ein Potpourri von Liedern, doch Miriam sang nicht mit - war diese Abendunterhaltung zu schlicht für sie, die weltgewandte Pariserin, war es das? -, und seiner Mutter fehlte es an Begeisterung. Eindeutig. Eigentlich schien sie den ganzen Abend nichts anderes zu tun, als Miriam so unverwandt anzustarren, als wollte sie eine Kohlezeichnung von ihr anfertigen. Sie gingen früh zu Bett. Miriam schlief in einem der Gästezimmer, um ein gewisses Maß an Schicklichkeit zu wahren, auch wenn ihm Schicklichkeit - jedenfalls in seinem eigenen Haus - vollkommen gleichgültig war. Er musste sich im Dunkeln zu ihr schleichen.
* Es war der berühmte Steinway, dessen Beine abgebrochen waren, als man ihn 1914 durch ein Fenster vor den Flammen gerettet hatte. Einfallsreich wie immer hatte Wrieto-San sie behelfsmäßig durch Hocker ersetzt.
Der nächste Tag begann recht verheißungsvoll. Miriam stand früh auf und wirkte beim Frühstück frisch und ausgeruht, während Mrs. Breen in der Küche blieb und das Servieren einem der Dienstmädchen überließ. Das Gespräch drehte sich hauptsächlich um das Wetter - der Tau lag schwer auf dem Gras, und von Norden wehte eine leise Brise, was Frank als Zeichen dafür deutete, dass die Hitzewelle der vergangenen Wochen sich endlich dem Ende zuneigte, worauf sowohl Paul als auch Lloyd widersprachen und als Beweis irgendeinen Unsinn aus dem Farmeralmanach über Bärenraupen und deren schüttere Behaarung anführten. Dennoch fand er, es sei etwas kühler geworden, und das war gut so: Miriam würde sich wohler fühlen, und wenn sie sich wohler fühlte, würde sie sich leichter in das naturnahe Leben auf dem Land einfügen. Das dachte er, denn sie schien ungewöhnlich empfindlich für Temperaturextreme zu sein - ungewöhnlich empfindlich für praktisch alles übrigens -, aber das war bei jemandem mit einem so hoch entwickelten künstlerischen Temperament wie ihr auch nicht anders zu erwarten.
Er aß mit Appetit - er war seit halb fünf auf den Beinen, hatte im Studio gearbeitet, das Gelände inspiziert, im Garten nach dem Rechten gesehen und die Pferde versorgt, erfüllt von Energie und dem Aufblitzen von Ideen, die beinahe ungebeten und zu den seltsamsten Zeiten kamen, als wären Inspirationen eine Laune des Unbewussten und nicht etwas, das durch Anstrengung, Konzentration und den Gebrauch von Bleistift und Reißschiene verdient werden musste. Das Hauptgebäude war weitgehend fertiggestellt, doch in den neuen Flügeln war noch eine Menge zu tun, und dann waren da natürlich die Entwürfe, die erst noch gezeichnet werden mussten, Projekte, die Geld brachten, denn die Kosten des Wiederaufbaus überstiegen selbst seine pessimistischsten Schätzungen, und er war wie gewöhnlich beklagenswert knapp bei Kasse ... *
* Er wandte sich schließlich an Miriam, die mehrere tausend Dollar in den Wiederaufbau des Hauses steckte, eine Tatsache, mit der Mr. Fake eines Tages intim vertraut sein würde.
Im Lauf des Tages - und es wurde dann tatsächlich
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