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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Augenblick. Von dem Tag an, da er ihr geschrieben hatte, sie solle zu ihm zurückkehren, hatte er gesehen, wie egoistisch er gewesen war, als er ihre uneingeschränkte Hingabe und Loyalität gefordert, sie aber nicht ins Zentrum seines Lebens eingelassen hatte, so dass sie sich ihres Status nie hatte sicher sein können.
    Kein Wunder, dass sie launisch war. Es war seine, ganz allein seine Schuld. Er ließ die Zeitung sinken und sah ihr fest in die Augen. »Wir fahren morgen«, sagte er.
     
    * Es tut mir leid, aber trotz allem, was O ’Flaherty-San über sexuelle Anziehung schreibt, erscheint mir dies wie einer der selbstmörderischen Sprünge ins Nichts, die Wrieto-San wiederholt tat. Er muss gewusst haben, dass die Gesellschaft - und die Presse - ihn einstimmig verurteilen würde, wenn er sich nach seiner ersten Geliebten eine zweite nahm. Es ist, als hätte er aus den tragischen Konsequenzen keine Lehre gezogen.
    Oder schlimmer: als ware es ihm gleichgultig gewesen.
     
    Der Tag war schön, die Straßen waren leer. Er pfiff vor sich hin, hantierte mit dem Schalthebel und dem Choke und fühlte sich so leicht wie die Wölkchen, die hoch über ihnen am blassblauen Dach der Welt dahinzogen. Jede Kurve, jeder Baum, jede Kuh, ob Holstein, Jersey oder Swiss Brown, wurde sogleich zum Gegenstand eines spontanen Vortrags - er konnte nicht anders, seine Zunge eilte ihm voraus, der Besitzerstolz stieg ihm zu Kopf wie der starke, schwarzgebrannte Whiskey, den die irischen Arbeiter hinter seinem Rücken tranken, obgleich er ihn doch in ihrem Atem riechen und im wilden Tanz ihrer allzu grünen Augen sehen konnte. Miriam saß neben ihm, ungewöhnlich still, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Wie konnte sie so ruhig sein? fragte er sich. Wie konnte sie nicht fühlen, was er fühlte: diese übersprudelnde Freude, die ihn am liebsten laut hätte singen lassen? Er trat auf das Gaspedal und überholte mit rasender Geschwindigkeit einen Traktor, der einen hoch mit Mais beladenen Wagen zog, die Räder wirbelten zwei Staubteufel auf, und die Kraft des Motors ließ das Heck hin und her schwingen, und plötzlich sang er tatsächlich, er sang für sie, er sang aus reiner Freude. Er sang zweimal »Oh My Darling Clementine« und dann »Old Kent Road«, und was machte es schon, dass die Bauern ihnen nachstarrten und seine Stimme hinter dem Wagen herflatterte wie das windverwehte Quaken der Gänse, die von einem Teich zum nächsten flogen? Er war glücklich. Einfach glücklich.
    Zum Mittagessen hielten sie in Cross Plains, und danach wurde Miriam noch stiller, so still, als wäre sie in ein Koma gefallen oder von einem tiefen Wachtraum umfangen. Er warf ihr immer wieder einen Blick zu: Ihr Haar bewegte sich im Fahrtwind, ihre Augen blickten starr geradeaus, sie saß vollkommen ruhig da, als balancierte sie auf einem unsichtbaren Seil, und schließlich verstummte er ebenfalls. Ihm war ein Gedanke gekommen, ein beunruhigender, nagender Gedanke, den er im Verlauf dieser dahinjagenden Tage immer wieder unterdrückt hatte. Er hatte mit Miriams Temperament zu tun, mit der Schnelligkeit ihrer Stimmungswechsel von hell zu dunkel, von dieser tiefen Ruhe zu plötzlicher Wut, und wie das wohl zu den Launen seiner Mutter, ganz schweigen denen von Mrs. Breen passen würde. Mrs. Breen führte den Haushalt so, wie der Kaiser seine Armee geführt hatte. Und seine Mutter, die ebenfalls über beträchtliche Energie verfügte, hatte bereits aus allen möglichen Gründen allerlei an der Haushälterin auszusetzen gehabt (»Wage es nicht, diese Frau >Mutter< zu nennen - nicht, solange ich im Haus bin! «).* Da der Bau zügig voranschritt, hatte er ihr - auf ihren energischen Wunsch - ein Zimmer im neuen Flügel gegeben, wenn auch nur für die Zeit, bis die Renovierung abgeschlossen und sämtliche Pläne umgesetzt waren, und so war alles gut. Jedenfalls für einen Tag oder so - bis sie und Mrs. Breen begannen, sich über alles zu streiten, von der Zubereitung eines weichen Eis bis hin zur richtigen Methode, die Betten zu machen, den Tisch zu decken oder Silber zu putzen. Wie würden sie auf Miriam reagieren? Genauer gesagt: Wie würde Miriam auf sie reagieren? Gedankenverloren legte er seine Hand auf ihre, und sie wandte sich ihm zu und schenkte ihm ein unbestimmtes Lächeln. Der Wind spielte mit ihrem Haar, die Sonne zog sie voran, und unter ihren Strahlen schmolz die Straße wie Butter. Wie jeder Spieler konnte Frank nur auf das Beste hoffen.
     
    * Selbst im

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