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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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würde, als wäre es ihnen vorbestimmt, als wären sie wiedergeborene Liebende aus dem Mahabharata oder einem Roman von Rice Burroughs - ja mehr noch: dass er sie in Besitz nehmen, sie bändigen würde in einer wilden Mischung aus Macht und Unterwerfung.
     
    ** Ich lernte sie in Taliesin als eine missmutige, dünne, humorlose Frau kennen, die in jenem ersten Jahr schwindsüchtig war und immer beschäftigt, beschäftigt mit all den anfallenden Hausarbeiten, sie scheuerte, hängte Wäsche auf, hackte die Beete, spaltete Holz für den Herd, den Ofen und die siebzehn Kaminfeuer, die wir in diesem höhlenartigen Gebäude ständig unterhielten und die doch nur eine kümmerliche Wärme ausstrahlten. Doch auch sie war einmal ein junges Mädchen und verliebt. Das sei ihr zugestanden.
     
    Frank** bemerkte nichts. Er stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, renommierte und paradierte vor der kleinen Gruppe, die sich um ihn versammelt hatte, vor alten Freunden und frisch gewonnenen Bekannten, scherzte, lachte, gab eine Geschichte nach der anderen zum besten und machte seine trockenen Bemerkungen über dieses oder jenes Paar - sollten sie doch gaffen, nur zu, nur zu -, doch da ertönte das Läuten, Albert nahm ihn beim Arm, und sie begaben sich zu einer der vorderen Reihen. Zufällig schob sich Albert als erster hinein und setzte sich auf den mittleren von drei leeren Plätzen, Frank ließ sich zu seiner Rechten nieder. Die Lichter verlöschten. Im Orchestergraben stand der Dirigent auf, die Arme über das Notenpult erhoben. Und dann glitt im letzten Moment Olgivanna anmutig durch den Mittelgang, ein beweglicher Schatten vor dem Hintergrund der Bühne. Der Platzanweiser trat zur Seite, der Vorhang hob sich, das Publikum regte sich, da war ihr Platz, ihr blieb kaum Zeit, die unauffällige Gestalt neben sich wahrzunehmen, als auch schon die Musik begann und die Tänzerinnen erschienen, und mit einemmal bemerkte sie, dass er hier war, hier, nur zwei Sitze weiter.
     
    ** Im Original, auch ff., Wrieto-San.
     
    Frank für sein Teil hatte aufgeschaut, als sie sich auf ihren Platz gesetzt hatte - ein Reflex des menschlichen Organismus: wenn sich irgendwo etwas bewegt, wandern die Augen unwillkürlich hin -, so wie er zu jedem aufgeschaut hätte, zu einer dieser Kühe aus dem Foyer oder dem Wichtigtuer, der sie begleitete, ja selbst zu einem seiner eingeschworenen Feinde. Ein kurzer Blick, mehr nicht, doch was er sah, gefiel ihm.
    Kein Hut, kaum Make-up, das in der Mitte gescheitelte Haar zum Chignon geschlungen, die Schultern von einem Spitzenschal umfangen. Das fiel ihm auf - die Schlichtheit des Kleids und des Stils, eine Art Reinheit, ein Vertrauen in die eigene Schönheit, das all die aufgeblasenen, gepuderten und huttragenden Matronen beschämte, und schließlich ihre Art, sich zu bewegen, eine große junge Frau in ihren Zwanzigern, die ihren Sitzplatz im Ballett mit einer ganz eigenen tänzerischen Anmut einnahm. Er warf noch einen verstohlenen Blick auf sie. Und noch einen.
    Auf der Bühne entstand Bewegung, Beifall brauste auf, als die Karsavina erschien - ihre Beine waren immer noch in Ordnung, ihr Gesicht nicht mehr ganz so -, und erstarb dann wieder. Frank nahm stummes Bemühen wahr, Männer und Frauen, die herumwirbelten und -wankten wie Kegel, die nicht umfallen wollten, und er erkannte sofort, dass dies eine mittelmäßige Vorstellung einer im Niedergang begriffenen Künstlerin werden würde. Langweilig. Ein vergeudeter Nachmittag. Er beugte sich vor, um an Albert vorbeizuschauen. Die junge Frau - eigentlich noch ein Mädchen - saß still da, die Hände im Schoß gefaltet, den Blick auf die Bühne geheftet. Sie gab ein tadelloses Bild ab, von der Haltung ihrer Schultern über die Rundung ihrer Brüste bis zu den klaren Konturen von Kiefer und Wangenknochen im Profil, dem schönen muschelförmigen Ohr und dem hellen Diamanten, der an ihrem Ohrläppchen glitzerte - minimalistisch, ihr ganzes Äußeres war eine einzige minimalistische Komposition.
    Aber sie war keine Amerikanerin, da hätte er gewettet.
    Zehn Minuten nach Vorstellungsbeginn - vielleicht auch später, vielleicht waren es zwanzig - wurde er unruhig. Er wäre am liebsten aufgestanden und gegangen - was dort auf der Bühne stattfand, war reine Routine, müde, leblos, und niemand im Publikum merkte es -, doch noch stärker war sein Impuls, zu bleiben und irgendwie die Aufmerksamkeit dieses Mädchens zu gewinnen, denn er kannte sie, er kannte sie allein durchs

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