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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sollte die neuen Hausgehilfen zu Ihnen bringen, und ich -«
    Sie fuhr zusammen - die Schultern zuckten, und das Blut schoss in diese Muschelohren -, und es war, als hätten sie sie im Bad oder im Bett überrascht. Sie drehte sich zu ihnen um und ließ das schwere Buch auf den Boden fallen. Es gab einen dumpfen Schlag, den er, obwohl er so weit entfernt stand, durch die Sohlen seiner Schuhe spürte (die er, so gut es ging, abgewischt hatte, obwohl der Glanz dahin war, vielleicht für immer). »Ach ja«, sagte sie, stand auf, glättete ihr Kleid und fuhr sich mit zwei weißen Händen rasch über das Haar, »hallo.« Und dann noch einmal: »Hallo.« Sie hielt inne und holte Luft. »Sie haben mich erschreckt - ich war so versunken in meine Arbeit ...« Ihr Lächeln strich über sie hinweg wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms und verweilte schließlich bei dem Spülwasser-Mann. »Billy Weston, Sie haben aber auch eine Art, sich anzuschleichen!«
    Sie standen am Rand des Teppichs. Keiner rührte sich. Dann lachte sie unbeschwert, beinahe kokett, und richtete ihren Blick erst auf Gertrude und dann auf ihn. Er wartete darauf, dass das Lächeln erstarb, doch sie hörte nicht auf zu lächeln. »Und Sie sind also die neuen Hausgehilfen?«
    »Ja, Ma’am«:, hörte er sich sagen, doch er war nicht ganz bei der Sache, noch nicht jedenfalls. Er wollte sie einschätzen, er kalkulierte, versuchte, die Summe ihrer Teile zu berechnen und zu einem Ergebnis zu kommen, denn sie war eine junge Frau, ein gutes Stück jünger als dieser Architekt mit dem großen Kopf voller grauer Haare, der ganze drei Minuten seiner kostbaren Zeit geopfert hatte, um sie beide nach ihrer Heimatinsel auszufragen, bevor er sie eingestellt hatte ... Aber sie war auch alt, eine Art Chamäleon, das sah er jetzt in dem fließenden Licht, das durch das Fenster fiel und auf ihrem Wangenknochen bebte: Sie war so alt wie seine Mutter, dabei waren ihr Gesicht und ihre Figur die einer jungen Frau, die noch keine Kinder geboren hatte. Und das war ein weiteres Rätsel, denn sie hatte Kinder, das hatte er jedenfalls gehört - zwei, einen Jungen und ein Mädchen -, und sie stand da in ihrem hübschen Kleid und mit ihrem seidigen, aufgesteckten Haar, als wäre sie eine hochgestellte Persönlichkeit, wo sie doch in Wirklichkeit bloß gewöhnlich war, gewöhnlich und verbraucht und alt. Und was für eine Bemerkung oder Frage oder was auch immer war das: Und Sie sind also die neuen Hausgehilfen? Was sollten sie denn sonst sein, wenn sie hier auf der Teppichkante standen, mit verschwitzten schwarzen Gesichtern über den Dienstbotenkleidern, die sie an einem Haken im Badezimmer aufgehängt hatte?
    »Nun«, sagte sie, »gut« und trat einen Schritt näher, als könnte sie sie dann besser sehen. »Dann sind Sie also Julius.«
    »Julian, Ma’am«, korrigierte er sie.
    »Julian, ja. Und Sie sind ... ?« Sie wandte sich zu Gertrude und war wieder jung, anmutig und freundlich.
    Gertrude spitzte die Lippen. Für einen Augenblick dachte er, sie würde einen Knicks machen. »Gertrude, Ma’am.«
    »Oh, ja, ja, natürlich, Gertrude.« Die Art, wie sie das sagte, wie sie den Namen seiner Frau aussprach - als wäre er eine Nadel aus Zinn, die sie im Dreck gefunden und an ihrem Ärmel poliert hatte, bis sie wie Silber glänzte -, verärgerte ihn. »Sie werden also für uns kochen. Haben Sie die Küche schon gesehen?«
    Gertrude nickte und schlug die Augen nieder.
    »Und Sie haben verstanden, dass Sie dreimal täglich Essen für zehn bis zwölf Personen zubereiten sollen? Das hat Mr. Wright Ihnen gesagt, nehme ich an.« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »Und dass Sie für das Fleisch und die anderen Lebensmittel zu sorgen und in erster Linie das zu verbrauchen haben, was wir selbst produzieren. Und dass Sie - das heißt, Sie und Ihr Mann - außerdem den ganzen Haushalt versorgen sollen. Glauben Sie, dass Sie das schaffen?«
    »Das schafft sie schon, Ma’am.« Er stand am Rand des Teppichs, als wäre es eine Klippe - und für einen Augenblick war es das auch: Wellen donnerten gegen die Felsen, Möwen kreisten unter ihm. Er stand stocksteif da. »Sie ist jung, aber sie ist die beste Köchin von ganz Bridgetown, eine Perle.«
    Die Hausherrin - wie sollte er sie eigentlich ansprechen? Doch sicher nicht mit »Mrs. Wright«, denn schließlich war sie ja nicht verheiratet, oder? - ignorierte ihn. Ihre Augen hatten die Farbe von eine Woche altem Cider, auf dem noch die grünen

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