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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Intervalle der Stille, die ihr das Gefühl gaben, das Haus sei in guten Händen, alles sei in Ordnung, und zwischen den Augenblicken der Ruhe entstehe so etwas wie eine Gewohnheit. An jenem Abend aß sie allein, auf der kleinen, durch ein Fliegengitter geschützten Veranda, die einen Ausblick auf den See bot, und Julian deckte den Tisch und servierte ihr, wie es sich gehörte, ohne etwas durcheinanderzubringen und ohne ein überflüssiges Wort. Und das Essen - Gemüsesuppe, Tomatensalat, ein Steak, das seine Frau mit einer exotischen Gewürzmischung eingerieben hatte, die ebenso pikant wie wohlschmeckend war, Maiskolben, Bratkartoffeln mit Rosmarin aus dem Garten und als Dessert eine mit Vanille und Zimt gewürzte Puddingcreme - schmeckte besser als alles, was sie seit ihrer Rückkehr aus Europa gegessen hatte. Sie trank zwei Gläser Wein zum Essen und ließ sich danach einen Brandy bringen, und dann saß sie lange einfach da und blickte in die Ferne, während die Enten und Gänse sich für die Nacht auf dem See niederließen, die Schatten dunkler wurden und die Glühwürmchen ihre blinkenden Bahnen durch den Abend zogen.
    Am nächsten Morgen ging sie nach dem Frühstück (das köstlich war und nicht weniger sorgfältig zusammengestellt als das Essen am Abend zuvor) in die Küche, denn sie wollte ihre neue Köchin loben und ermutigen und vielleicht sogar ein wenig mit ihr plaudern. Sie war neugierig. Sie wollte wissen, was die junge Frau zu sagen hatte, wollte ihre Meinungen hören, etwas über ihr Leben und ihre Heimat erfahren. Barbados. Das klang so exotisch. Und ihre Art zu sprechen war wie ein Tonikum, angenehm und erfrischend. Und anders. Vor allem anders.
    Sie öffnete langsam die Tür und hatte dabei schon den ersten Satz im Kopf - Gertrude, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie zufrieden ich bin -, doch dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Die Küche war wie verwandelt. Zuvor hatte sie eng gewirkt, und es hatte ranzig nach dem gebratenen Speck vom vergangenen Jahr und unzähligen Fettspritzern gerochen - es war eben eine typische Farmküche gewesen, doch jetzt waren die Fenster zum Hof geöffnet, und es roch nach jener pikanten Gewürzmischung, nach frischem Obst und Vanille. Und alles war umgestellt worden:
    Der Eichentisch, auf dem immer alle möglichen Gerätschaften herumgelegen hatten, war verschwunden, die Töpfe waren nach Größe geordnet, die Bratpfannen hingen an Haken über dem Herd und glänzten wie Juwelen, jeder Teller und Unterteller, jedes Stück Besteck war abgewaschen, abgetrocknet und aufgeräumt, und nirgends war eine einzige Fliege zu sehen. Gertrude kniete vor dem Herd und polierte die Messinggriffe, und Carleton stand auf einer Leiter und putzte mit langen, weit ausholenden Armbewegungen die Decke - die Decke! Es sah aus, als tanzte er mit einer unsichtbaren Partnerin. Mamah wusste nicht, was sie sagen sollte. Alle beide hatten sie bemerkt, sie mussten sie bemerkt haben, ließen es sich aber nicht anmerken. Sie fuhren, ganz in Anspruch genommen, einfach fort zu tun, was sie taten, und sie blieb einen Augenblick stehen und fühlte sich in ihrem eigenen Haus wie eine Fremde, bis sie die Tür schließlich leise wieder schloss und zu ihren Büchern ging.
    An diesem Abend lud sie Diana Milquist und ihren Mann Alvin zum Essen ein und bat Franks Zeichner Emil Brodelle und Herbert Fritz, sich dazuzugesellen. Sie hatte sich den ganzen Vor- und Nachmittag mit ihrem Buch abgemüht, unfähig, sich zu konzentrieren, denn ihre Gedanken schweiften immer wieder von Ellen Key und der Frauenbewegung zu den Barbadiern in der Küche. Wie eigenartig, wie fremd. Neger im Haus - und wer waren sie, was dachten sie, welches Band hielt ihre Ehe zusammen?
    Auch wenn sie es niemals zugegeben hätte: Wenn Frank nicht da war, wurde es ihr langweilig. Sie hatte ihr Buch voller Vorfreude begonnen, sie hatte Material gesammelt und ein Konzept geschrieben, so ausgefeilt und durchdacht, dass es schließlich etwa dreißig Seiten umfasste, und doch schlich sich nun, da sie von der Einleitung zu den ersten Kapiteln überging, eine gewisse Gleichförmigkeit ein - ja, schlimmer noch: Jeder Satz schien eine Mauer gegen den nächsten zu errichten, und schließlich musste sie erkennen, dass sie nicht mit Ideen, sondern mit Phrasen spielte und alle Frische verschwunden war.
    Die Ironie des Ganzen entging ihr nicht. Sie hatte sich mit dem Kochen und dem Haushalt geplagt, und jetzt, da die Carletons hier waren und sie alle Zeit

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