Die Frauen
Hauses schien seinen Beifall zu finden. Das nächstemal sah sie ihn, als sie in den Garten ging, um Blumen für den Esstisch zu schneiden, und er, mit Billy Weston im Schlepptau, über den Hof marschierte und dem Landschaftsgärtner Lindblom und dessen Vorarbeiter Thomas Brunker Instruktionen gab. Brunker war ein schmerbäuchiger Mann mit weißem Haarkranz, der sie immer mit säuerlichen Blicken bedachte, als missbilligte er ihre Anwesenheit, und das war schlecht für ihn, denn sie war jetzt die Hausherrin und gedachte es auch zu bleiben. »In zehn Minuten gibt’s Essen«, rief sie Frank zu, und er lächelte und winkte und bog um die Ecke, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
Als sie sich schließlich zum Essen setzten, bemerkte sie, dass er abgenommen hatte - vermutlich kämpfte er beim Midway-Gardens-Projekt mit letzten Schwierigkeiten, schlief unregelmäßig und nahm seine warmen Mahlzeiten, wenn überhaupt, zu hastig ein -, doch er aß alles, was Carleton auf dem Silbertablett auftrug, das er hoch über der Schulter auf einer Hand balancierte und mit einer Geschicklichkeit handhabte, die weder angeberisch noch unterwürfig, sondern genau angemessen wirkte. Gertrude hatte sich selbst übertroffen und einen ihrer scharf gewürzten Eintöpfe gekocht (»Je heißer es is, desto schärfer muss das Essen sein, hat meine Mama immer gesagt, weil man muss schwitzen, damit einem kühler wird«), und dazu gab es Maisbrot, Gurkensalat und Minzjoghurt, den sie mit einer aus Barbados nach Chicago mitgebrachten Kultur selbst hergestellt hatte, frische Melone und einen Beerenkuchen.
Am Tag darauf verbrachte sie den ganzen Morgen damit, ein Picknick vorzubereiten, das Carleton, in seinem weißen Jackett wie aus dem Ei gepellt, auf Decken am Seeufer anrichtete. Frank war entzückt, erklärte den Tag zum Feiertag und lud sämtliche Angestellten bis hin zum letzten Feldarbeiter ein, an dem Schmaus teilzunehmen. Die Teller gingen herum. Carleton holte ein Dutzend Mal Nachschub, und jedesmal wenn er zurückkehrte, waren die Platten beladen, und alle waren sich einig, dass ihnen Brathähnchen, Kartoffelsalat, Schweinekoteletts und Gemüse noch nie derart gut geschmeckt hatten. Sie lagen satt und zufrieden auf den Decken, als einer der Männer eine Mundharmonika hervorzog und Frank zu singen begann, und bald darauf erschienen am Himmel die ersten Sterne.
Am nächsten Tag fuhr Frank nach Chicago zurück, nicht ohne zuvor noch ein herzhaftes Bauernfrühstück verzehrt zu haben und Gertrudes Buttermilchpfannkuchen in so hohen Tönen zu loben, dass sie sich aus der Küche wagte, scheu lächelte und eine ihrer Bajan-Weisheiten zum besten gab (»Geht nichts über gut essen und gut verdauen«), und als er Mitte der nächsten Woche zurückkehrte, schlachtete sie einen Truthahn und füllte ihn mit einer Mischung aus geräucherter Wurst und etwas, das sie Cou-Cou nannte. Und dann war Frank wieder fort, die Arbeit auf der Farm ging weiter, und Mamah zählte die Tage bis zum 1. August, wenn John und Martha kommen sollten.
An diesem Tag war sie eine Stunde zu früh am Bahnhof. Billy Weston parkte den Wagen am Bordstein und nutzte die Zeit, indem er den Lack mit Wachs und einem weichen Lappen polierte - er wusste, wie großen Wert Frank darauf legte, dass seine Automobile in gutem Zustand waren -, während Mamah in der zunehmend heißen, unbewegten Vormittagsluft auf dem Bahnsteig auf und ab ging. Sie hatte die Kinder seit Weihnachten nicht gesehen. Damals waren Frank und sie nach Chicago gefahren und in einem Hotel abgestiegen, und sie hatte versucht, die beiden vergangenen Weihnachtsfeste wiedergutzumachen, indem sie die Kinder in ein Restaurant und in die Symphonie eingeladen und mit Geschenken überhäuft hatte, die ihnen gänzlich gleichgültig zu sein schienen. Sie wusste, dass Ellen Key sie befreit hatte und dass sie über ihre gegenwärtigen Lebensumstände nichts als Freude empfinden sollte - sie war eine Auserwählte, eine der wenigen Frauen, die ihr Leben in der Freiheit der Liebe leben durfte* -, aber dennoch erfüllte sie der reservierte und zugleich hoffnungsvolle Ausdruck auf den Gesichtern ihrer Kinder immer mit Schuldgefühlen. Jedesmal wenn sie sie sah, rechnete sie damit, dass sie sich von ihr abwenden, ihr Vorwürfe machen und sich von ihr lossagen würden - oder, schlimmer noch, dass sie ihr von Edwins neuer Frau erzählen und diese als ihre neue Mutter bezeichnen würden. Weil ihre alte Mutter ungeeignet war. Weil sie
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