Die Frauen
hochgeklappt. Sie stemmten sich gegen den Wind, suchten die Fenster des Zuges ab, der mit kreischenden Bremsen die Geschwindigkeit verlangsamte, dann drehte Kameki sich zur Seite, um sich mitgewölbten Händen eine Zigarette anzuzünden, und Frank setzte sich in Bewegung, seine stramm anliegende Reithose und glänzenden Stiefel vom Rand seines schweren Capes umflattert und umwogt. Er war direkt vor ihr, so nah, dass sie ihn hätte berühren können, doch aus irgendeinem Grunde sah er sie nicht, und der Zug glitt an ihm vorüber, um schließlich mit einem Ruck zum Stehen zu kommen. Svetlana konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie sprang auf den Sitz, hämmerte gegen das Fenster und rief immer wieder seinen Namen, bis er endlich aufblickte, sie entdeckte und seine Miene sich veränderte. Jetzt winkte Olgivanna, und ihr Herz schlug höher.
Doch irgend etwas stimmte nicht, das merkte sie schon beim Aussteigen. Frank war so forsch und energiegeladen wie immer und half mit gewohnt herzlichem, breitem Lächeln erst ihr, dann Svetlana aus dem Zug, doch zugleich wirkte er irgendwie distanziert. Er sah sie nicht an, jedenfalls nicht sofort, und das war seltsam. Statt dessen beugte er sich zu Svetlana hinunter, reichte ihr etwas, einen Lutscher, und fragte sie, ob sie eine schöne Reise gehabt hätten, doch Svetlana, die das Malbuch unter den einen, den Teddy unter den anderen Arm geklemmt hatte, war plötzlich schüchtern und flüsterte nur: »Ja.«
Ein scharfer Wind fegte über den Bahnsteig, trieb welke Blätter und Papier vor sich her, darüber der aufgewühlte Himmel, und Olgivanna hatte einen Moment lang Gelegenheit, die menschenleeren Straßen und verrammelten Häuser des Ortes - des Dorfs, des Weilers - auf sich wirken zu lassen, in dem sie die nähere Zukunft und vielleicht noch eine längere, weit längere Zeit verbringen würde, bis Frank sie schließlich doch ansah. Die Lokomotive ließ mit einem langen, bebenden Zischen Dampf ab, und Kameki eilte davon, um sich des Gepäcks anzunehmen. Und nun begrüßte Frank sie endlich, doch er umarmte sie nicht und küsste sie nicht, sondern drückte ihr nur fest die Hand, sein Handschuh an ihrem, als wäre sie eine Geschäftsfreundin oder entfernte Verwandte ... und nach wie vor hatte er nichts gesagt, kein Wort, weder Hallo noch Willkommen, noch Schön, dass du da bist.
Dann ließ er ihre Hand los und beugte sich mit einer raschen Bewegung vor. »Ich erkläre dir das später«, sagte er leise, und sein Atem wurde sogleich vom Wind davongetragen. »Es ist wegen der Nachbarn. Wegen der Presse. Wir dürfen kein Aufsehen erregen.«
»Daddy Frank«, rief Svetlana und zupfte an seinem Schal - sie hatte sich wieder gefangen, sich auf die Kälte, den Moment der Ankunft und den Ort eingestellt, den sie keines zweiten Blickes würdigte -, »können wir zu den Schwänen gehen?«
Er zuckte zusammen, als er den Kosenamen hörte - Daddy Frank, Daddy -, und sein Blick sprang von Svetlana zu ihr und wieder zurück. Der Qualm der Lokomotive wurde vom Wind verwirbelt und herübergetrieben, stechend, widerwärtig. Sie bekam etwas ins Auge und zwinkerte. »Schwäne?« wiederholte er. »Was für Schwäne?«
»Ich habe Svetlana gesagt« - sie betupfte sich mit einem Taschentuch das Auge -,
»dass wir uns die Schwäne auf dem See ansehen werden - und die Enten.«
»Ach so, ja, die Schwäne. Natürlich, Schätzchen, das machen wir. Aber erst im Sommer. Jetzt ist der See zugefroren. Das gefällt dir doch bestimmt?«
»Können wir Schlittschuh laufen gehen? Heute? Jetzt gleich?«
Aber Frank war abgelenkt - gerade stiegen zwei Männer im Mantel aus dem Zug, hinter ihnen eine Bohnenstange von einem Jungen, der sofort nach seinem Hut griff und ihn fester auf seinen Kopf drückte -, und er antwortete nicht. Seine Augen huschten immer wieder von Olgivanna zum hinteren Ende des Bahnsteigs, wo Kameki eben den Koffer in Empfang genommen hatte, der Gepäckträger die Tür zuschob und der Schaffner zweimal warnend pfiff, und nachdem er gesagt hatte: »Ja, ja, Svet, sicher, sobald wir richtig angekommen sind«, schlug er vor, im Auto zu warten, wo sie vor dem Wind geschützt sein würden.
Der Wagen* - lang und schnittig, mit Segeltuchverdeck; war der neu? Hatte er sie im Dezember in diesem Wagen abgeholt? - stand mit laufendem Motor am Straßenrand, Billy Weston am Steuer. Erst als sie drinnen saßen, die Tür hinter sich zugezogen hatten und Billy davongeeilt war, um Kameki mit dem Koffer zu helfen,
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