Die Frauen
»Liebesbungalow« und dergleichen mehr bezeichnet.
Kapitel 4
IOVANNA
Ich sage Ihnen, Missus, wenn Sie diese Angelegenheit zu Ihren Gunsten wenden wollen, dann wären Sie gut beraten, nach Chicago zu kommen.« Kurzes Schweigen, im Hintergrund Schallplattenmusik, das Geräusch eines angerissenen Streichholzes. Miriam hörte, wie der Mann - der Detektiv, ihr Detektiv* - in den Hörer schnaufte, ein heiseres, rasselndes Einsaugen und Ausstoßen von Luft, als wäre seine Lunge von Blasen überzogen. »Die Gegenpartei verhält sich nämlich absolut skandalös, ganz zu schweigen davon, dass der Mann gegen das Recht und alle ethnischen Grundsätze verstößt.« Genau das hatte er gesagt, ethnische Grundsätze, aber Miriam wusste, was er meinte, und es durchfuhr sie wie ein Stromstoß. »Jetzt haben Sie ihn am Wickel, Missus.«
* Jasper J. Jesperson, 3720 Figueroa, Los Angeles, Kalifornien. Privatdetektiv von größter Diskretion.
Sie wollte nicht hören, was er zu sagen hatte, kein Wort mehr, sie ertrug es nicht, hielt es nicht mehr aus. Sie hätte auf der Stelle auflegen sollen, doch sie tat es nicht - sie blieb dran, am ganzen Körper starr vor Angst angesichts dessen, was nun kommen würde: die Gewissheit, um derentwillen sie ihn beauftragt hatte, der eindeutige Beweis. »Und es tut mir leid, das sagen zu müssen«, seine Stimme drang aus dem Hörer, und er hob die folgenden Wörter einzeln hervor, als würde er für jedes extra bezahlt, »aber ich rede hier von in flagranti.«
Leora beobachtete sie vom Sofa aus. Miriam wusste, dass sie erbleicht war, dass ihr Gesicht so zuverlässig wie das der Heldin eines dieser Samstagnachmittags-Rührstücke alle Farbe verloren hatte, nun, da per Ferngespräch aus Chicago die Nachricht, mit der sie beide gerechnet hatten, bei ihnen - bei ihr - eingegangen war. Sie machte sich nichts vor, schließlich war sie nicht von gestern. Sie kannte Frank. Sie wusste, wozu er fähig war. Doch es aus dem Munde eines Mannes zu hören, der ihr genauso widerwärtig war wie der Kerl, der an jenem dramatischen Tag im Juli vor ihrer Tür erschienen war und ihr die Vorladung überreicht hatte, das war doch ein Schock.
Frank liebte sie nicht mehr. Es gab kein Zurück. »Nein«, sagte sie, »nein«, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
»Will sagen, er ist jetzt gerade im Garfield Arms - mit ihr und dem Kind -, und Sie können ihn auf frischer Tat ertappen, das ist das Schöne an der Sache. Man hätte meinen sollen, er wäre clever genug, um die Sache geheimzuhalten, aber nichts da. Er hat sich sogar unter seinem eigenen Namen angemeldet. Und sie auch.«
Auf der anderen Seite des Zimmers formte Leora mit den Lippen einen lautlosen Kommentar. Hatte sie »Jetzt haben wir ihn« gesagt? Oder »Jetzt aber ran«?
»Missus?«
Das Blut kochte ihr in den Adern. Man meldete seine Haushälterin nicht im Hotel an. Haushälterinnen blieben zu Hause und kümmerten sich um den Haushalt. Ihr schwindelte plötzlich - verraten, wieder verraten -, und sie brachte nur mit Mühe eine Antwort heraus. »Ja?« wisperte sie.
»Ich sag Ihnen noch was: Seine Begleiterin oder Mätressse oder wie immer Sie sie nennen wollen -«
»Ja?«
»Die hat einen Braten in der Röhre. Und der ist fast gar, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Sie nahm den nächsten Zug nach Chicago, starrte aus dem Fenster ihres Schlafwagenabteils auf die kahlen Berge und die öde, tote Mitte des Landes, alles in Abstufungen von gelblichem Braun, nirgendwo Farbe, kein Leben, keine Hoffnung. Sie hatte Leora mehr oder weniger angefleht, mitzufahren und ihr Beistand zu leisten - sie wisse einfach nicht, ob sie das allein schaffen werde -, aber Leora war schon seit zwei Monaten mit den Vorbereitungen für ihre Thanksgiving-Party beschäftigt, ein Fest mit vierzig Gästen, Abendgarderobe, die Sorte Veranstaltung, von der ihre Nachbarn Notiz nehmen mussten, und so kurzfristig könne sie ja wohl kaum noch absagen, oder?
Nein. Nein, natürlich nicht.
Also reiste Miriam allein, die Pravaz ihre einzige Begleiterin. Sie strickte nicht, sie zeichnete nicht. Kartenspiele langweilten sie zu Tode. Sie hatte die neueste Zora Gale dabei und Lewis’ Arrowsmith, ein ganz hervorragendes Buch über einen edlen, großmütigen Mann, voller Idealismus, wie sie selbst, aber sie war zu nervös, konnte sich nicht konzentrieren, und so starrte sie Stunde um Stunde aus dem Fenster in die vorbeiziehende Leere Amerikas. Ab und zu steckte ein farbiger
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