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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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jungen Mann in Schlips und Kragen mit pomadisierter Frisur, der im Begriff ist, einen Hustenanfall zu erleiden, als ein Windstoß von der San Francisco Bay ihn in eine Wolke aus Magnesiumstaub hüllt. Ich glaube, ich habe noch eine Woche lang weißen Schleim gehustet.
     
    Als sie wieder zu sich kam, sah sie die in einem Halbkreis um sie gescharten Gesichter - acht oder zehn Männer mit gezücktem Stift -, nahm das Glitzern des Kronleuchters an der Decke und die schimmernde Weite des Marmorbodens wahr, den dicken Flor der Orientteppiche und das exotische Grün der Topfpalmen, und ein freudiger Schauer durchrieselte sie. Hier war sie der Mittelpunkt - der Star, die Hauptperson -, nicht Frank. Diese Männer warteten auf sie, wollten hören, was sie zu sagen hatte, ihre Worte festhalten und im ganzen Land verbreiten.
    »Ich möchte zunächst einmal feststellen«, begann sie und tat einen so tiefen und feuchten Atemzug, als wäre sie die ganze Zeit unter Wasser gewesen und eben erst an die Oberfläche gekommen, »dass dies ein ausgesprochen trauriger Anlass für mich ist und ich es sehr zu schätzen weiß, dass Sie gekommen sind.« Sie hielt inne und ließ den Blick der Reihe nach auf jedem der Gesichter ruhen. Die Männer starrten sie gespannt an. Keiner regte sich. Keiner sagte ein Wort. »Und ich möchte klarstellen, dass ich meinen Mann, was immer er auch behaupten oder wie geschickt er die Wahrheit verdrehen mag, nicht verlassen habe. Er ist mein Mann. Mein vor Gott und den Menschen rechtmäßig angetrauter Ehemann und die wahre, strahlende Liebe meines Lebens.«
    Einer der Zeitungsleute, ein Rüpel mit billigem Anzug und asymmetrischer Frisur, unterbrach sie: »Entschuldigen Sie, dass ich diese Frage stellen muss, aber wir wussten gar nicht, dass Sie verheiratet waren - waren Sie nicht beide Verfechter der freien Liebe?«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir hatten die romantischste Trauung, die man sich nur vorstellen kann, ja die selbst die größten Dichter aller Zeiten hätten ersinnen können - im Mondschein um Mitternacht auf der Brücke von Taliesin. Es war der krönende Moment meines Lebens.«*
     
    * Es war eine private Trauung, im November 1923. Die Verwirrung des Reporters beruht möglicherweise auf Miriams Aussagen gegenüber der Presse im Jahr 1915, kurz nachdem ruchbar geworden war, dass sie als Wrieto-Sans Geliebte nach Taliesin gezogen war. Damals brachte sie ihre Verachtung für die Institution der Ehe deutlich zum Ausdruck. (»Frank Wright und mir ist es vollkommen gleich, was der Rest der Welt womöglich denkt. Wir sind imstande, unsere eigenen Gesetze zu formulieren, genau wie die toten Männer, die einst die Gesetze formuliert haben, mit denen künftige Generationen regiert werden sollten.«)
     
    Kurzes Schweigen, während sie mit gebeugten Köpfen und kratzenden Stiften kritzelten. »Trotzdem« - sie hatte das Heft nun fest in der Hand, und der Rausch der Rechtfertigung erfasste sie wie eine neue Droge - »gibt es ein paar Dinge, die eine Frau einfach nicht hinnehmen kann, so treu sie auch sein mag.«
    Es wurde still im Raum. Jetzt kam sie zum Kern der Sache, zu dem Skandal, auf den sie alle warteten. Ganz leise und um eine feste Stimme bemüht, erklärte sie, dass er ihr trotz der tiefen Liebe, die sie für ihn empfand, keine andere Wahl gelassen habe, als die Scheidung einzureichen. Er sei grausam zu ihr gewesen, gewalttätig geworden - und nun stockte sie unwillkürlich, ihr ganzer Gram, die demütigende Situation, ihre tiefe Verletzung drückten sie mit der Macht eines mittelalterlichen Folterinstruments nieder. »Ich bin in den Westen gereist«, fuhr sie fort und musste erneut innehalten, um sich zu sammeln, »aus gesundheitlichen Gründen. Auf Anraten meines Arztes. Die reine, trockene Luft von ... von Los Angeles ... Und dann... dann komme ich zu meinem Mann zurück, nur um festzustellen, dass er, dass er -«
    Mr. Jackson hielt ihr den Arm hin - was tat er denn da, streichelte er ihr etwa den Rücken? -, und nun hatte sie einen Kloß im Hals und konnte kaum mehr weitersprechen, all diese Augen, die unverwandt auf sie gerichtet waren, und dann sagte der Mann mit dem Blitz: Okay, Jungs, los, noch eins, und wieder diese gleißende Lichtexplosion. »Ich will doch nur«, brachte sie mühsam über die Lippen, »was mir ... was mir rechtmäßig zusteht.«
    Ihr Brustkorb hob und senkte sich, und jetzt war kein Halten mehr, sie schluchzte plötzlich, schluchzte so heftig, dass sie

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