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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Frank verbunden habe, nachdem Miriam ihn habe sitzenlassen, und dass sie ebensowenig eine Tänzerin sei wie Frank ein Pianist sei, nur weil er sich ab und zu mal an die Tasten setze und ein Lied für die Familie spiele. Die Presse habe ihr dieses Etikett bloß verpasst, um sie herabzusetzen, sie wie ein Revuegirl oder eine Zigarettenverkäuferin zu behandeln, wo sie doch tatsächlich einer der vornehmsten Familien Montenegros entstamme - aber das war alles völlig egal. Die hübschen Bilder, die niedergeschlagenen Augen, der unverhüllte Schrei nach Mitleid. Jeder konnte sehen, dass sie eine Hure war, und Huren stand es nicht zu, dass man ihnen Wohlwollen oder Mitleid, Glauben oder auch nur Beachtung schenkte.
    »Sie sollten aufhören, das Unmögliche zu erwarten«, sagte er gerade, wieder mit diesem Blick. »Also, sein letztes Angebot, wenn ich Sie noch mal daran erinnern darf - dreiundzwanzigtausend Dollar, wovon fünftausend in bar sowie weitere dreitausend für Spesen und Anwaltshonorare sofort auszuzahlen sind, damit Sie Ihre Verbindlichkeiten abtragen können, unter anderem die über Tausend, die Sie dem Southmoor schulden -, fand ich völlig akzeptabel, wie Sie wissen.«
    »Akzeptabel? Na ja, wahrscheinlich schlicht deshalb, weil Ihnen Ihr eigenes Wohl inzwischen wichtiger ist als meines. Sie wollen Ihr Honorar - darauf läuft es doch hinaus, oder? Aber hier geht es um mein Leben. Ich bin diejenige, die durch den Schmutz gezogen wird. Ich bin diejenige, die mittellos ist und es vermutlich bleiben wird.«
    »Sogar Ihre Kinder ... « setzte er an, um es auf einem anderen Wege noch mal zu versuchen. Wollte er jetzt mit ihr diskutieren? Bezahlte sie ihn etwa dafür? Fürs Diskutieren?
    »Was haben meine Kinder damit zu tun?«
    »Sie stimmen mit mir überein. Sie finden, dass Sie einen Vergleich schließen sollten.
    Sie können nicht erwarten, dass sie ... nun ja, ich weiß, das ist eine heikle Angelegenheit, und vielleicht geht es mich auch nichts an, solange die Honorare, die Sie dieser Kanzlei schulden, pünktlich bezahlt werden, aber Sie können nicht erwarten, dass Ihre Kinder weiterhin Ihre Schulden übernehmen, in der Hoffnung auf ... ich weiß nicht was.« Er hielt inne und setzte seine Brille ab, so dass seine Augen zu ihr emporschwammen wie zwei blassgrüne Fische in einem gelblichen Aquarium. »Was genau wollen Sie eigentlich, Mrs. Wright - Miriam? Rache? Wollen Sie ihn zugrunde richten, ist das Ihr Ziel?«
    Jetzt begriff sie, dass auch er ein Kleingeist war, eigennützig, engstirnig, ein Feigling wie alle anderen. Sie war plötzlich zornig, wutentbrannt, ja kurz davor zu explodieren und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht loszuschreien. »Ich werde keinen Vergleich schließen«, sagte sie endlich, und ihr Ton war so trocken wie eine im Wind raschelnde Maishülse. »Niemals«, sagte sie. »Bis ans Ende meiner Tage.«
    Er wandte den Blick ab, rutschte auf seinem Stuhl herum, klemmte sich ungeduldig die Brille wieder auf die Nase. »Sie brauchen keinen Anwalt«, sagte er dann, und jetzt war er es, der seine Stimme nur mit Mühe beherrschte, »Sie brauchen einen Racheengel.«
    Sie stand abrupt auf, und all ihre Mattheit war wie weggeätzt. Ihre Hände zitterten, als sie ihre Tasche hochriss, und für den Bruchteil einer Sekunde verschwamm ihr alles vor den Augen, als hätte sie einen Hieb ins Gesicht bekommen. Kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Genau«, sagte sie. »Genau so ist es.«
    Die Tage begannen an ihr vorbeizuflimmern wie ein Film auf einer unerreichbaren Leinwand - irgendwie saß sie in der hintersten Reihe fest, auf einem der billigen Plätze, und musste zusehen, wie ihr eigenes Leben nach einer fremden Logik ablief, um schließlich unweigerlich ins Melodramatische abzugleiten. Und in den Kummer. Einen so tiefen Kummer, dass sie es oft nicht ertrug, aus dem Bett aufzustehen. Da war dieser Geruch in den Wänden, dieser Gestank nach Verhängnis und Verwesung. Die Tapete war grauenhaft - wo war Normas Geschmack geblieben? Das kaputte Fahrrad. Ein Tisch mit drei Beinen, auf einen umgedrehten Papierkorb und einen Band Dickens gestützt - Bleak House, wie passend. Morgens hatte sie meist Magenbeschwerden, diese Krämpfe, und es rumorte in ihrem Gedärm, als könnte sie nie wieder etwas verdauen. Sie schwitzte ständig, sogar draußen in dem arktischen Wind, der die toten Äste der Bäume wieder zum Leben erweckte und die Rinnsteine blankfegte. Ihr Schwiegersohn ging ihr auf

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